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Nichts wie weg: Die Kiezschule wird häufig gemieden.

© dpa/Frank Leonhardt

Neue Zahlen für Berliner Erstklässler: 8500 Schüler werden später eingeschult

Erneut sprunghafter Anstieg bei Zurückstellungen: Noch mehr Eltern haben sich gegen die frühe Schulpflicht entschieden.

Bloß nicht zu früh zur Schule! Diese Devise haben sich noch mehr Familien als in den Vorjahren zu eigen gemacht: Die Zahl der Kinder, die ein Jahr länger in der Kita bleiben, ist nochmals rapide in die Höhe geschnellt und liegt jetzt bei über 8500. Dies entspricht einem Anteil von 25 Prozent. In den Vorjahren lag die Quote bei 15 bis 20 Prozent, was zuletzt 6400 Kindern entsprach. Dies ergab eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck.

Allein in Pankow wurden fast 1200 Kinder zurückgestellt

An der Spitze der Zurückstellungen stehen Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg mit einem Anteil von fast 30 Prozent dicht gefolgt von Pankow. In Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf hingegen wird nur jedes fünfte Kind später eingeschult. In absoluten Zahlen ausgedrückt: Allein im kinderreichen Bezirk Pankow bedeutet dies, dass 1168 Kinder ein Jahr länger in der Kita geblieben sind. In den anderen Bezirken liegt die Zahl bei 530 bis 760. Für die überfüllten Grundschulen war die hohe Zahl der Rückstellungen eine willkommene Entlastung: Zwar mussten jene 6400 Kinder eingeschult werden, die 2015 in der Kita geblieben waren, aber im Gegenzug waren es 2016 ja 8500 weniger - also eine Entlastung um rund 2000 Erstklässler.

Die Zahl der Klassenwiederholer sinkt

Im aktuellen Schuljahr gilt formal noch die Schulpflicht für alle Kinder, die 2016 ihren sechsten Geburtstag feiern. Dies bedeutet, dass ein großer Teil der Kinder im Sommer mit fünf Jahren hätte eingeschult werden müssen. Wegen der großen Proteste gegen diese bundesweit früheste Schulpflicht, wurde das Schulgesetz in der vergangenen Legislatur auf Druck der CDU und der Grünen geändert und die Schulpflicht um ein Vierteljahr verschoben.

Diese Regelung gilt zwar erst ab dem Schuljahr 2017/18, aber Anträge auf Rückstellungen wurden auch im Vorfeld schon seit langem wohlwollend behandelt, weil es - außerhalb der Bildungsverwaltung - immer weniger Befürworter der frühen Schulpflicht gab. Inzwischen steht fest: Je mehr Kinder zurückgestellt werden, desto weniger müssen eine Klasse wiederholen. Auch dies ergab Langenbrincks Anfrage. In der Schuleingangsphase sank ihre Zahl seit 2011/12 um 800 auf 3000, in der dritten Klasse von 540 auf 142 Schüler.

Die Schulpflicht wird um drei Monate verschoben

Langenbrinck wollte auch wessen, wie viele der betreffenden "Antragskinder" tatsächlich zu den Fünfjährigen bei der Einschulung gehört hätten, also erst in der zweiten Jahreshälfte ihren sechsten Geburtstag gefeiert hätten. Dazu lägen "keine Informationen" vor, lautet die Auskunft von Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD). Dies Frage dürfte aber noch von großer Relevanz sein, wenn vom kommenden Jahr ab der Stichtag auf dem 30. September liegen wird. Es kann gut sein, dass es auch dann noch Anträge auf Zurückstellungen geben wird. Denn angesichts der großen Zahl von 8500 Fällen in diesem Jahr liegt bereits auf der Hand, dass es sich nicht ausschließlich um Kinder handeln kann, die zwischen Oktober und Dezember geboren sind.

Auch in Brandenburg bleiben viele Kinder in der Kita

Vielmehr ist zu erwarten, dass es auch künftig etliche Eltern geben wird, die ihre im Juli, August oder September 2011 geborenen Kinder ebenfalls noch ein Jahr in der Kita lassen wollen, weil sie bei der Einschulung am 1. September 2017 ebenfalls noch recht jung sind. Dies belegt auch die Entwicklung in Niedersachsen, wo es immer wieder Kritik am Stichtag 30. September gegeben hatte: Manche Eltern dort wollen, dass Niedersachsen der Mehrheit der Bundesländer folgt, deren Stichtag am 30. Juni oder 31. Juli liegt. Auch in Brandenburg gilt der Stichtag 30. September. Hier stellten die Schulärzte in den vergangenen Jahren knapp bis 15 Prozent der Kinder mangels Schulreife zurück.

Die frühe Einschulung war Teil der Berliner Grundschulreform unter Bildungssenator Klaus Böger (SPD) im Jahr 2005. Sie brachte viele umstrittene Neuerungen, darunter das verpflichtende jahrgangsübergreifende Lernen und die Abschaffung der Vorklassen. Sehr bald gab es Kritik von Kinderärzten, Lehrern und Eltern, die auf massive Probleme in den Grundschulen verwiesen. Eltern litten zudem unter einer als willkürlich empfundenen Praxis bei der Behandlung von Anträgen auf Zurückstellung, die von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich war.

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