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Michael Müller am Freitag im Bundesrat.

© Wolfgang Kumm/dpa

Neuer Bundesratspräsident: Michael Müller: Demokratie nicht von Populisten umdeuten lassen

Der Regierende Bürgermeister steht nun für ein Jahr an der Spitze des Bundesrates. Dort geht der Sozialdemokrat auf Gegenkurs zur AfD - und macht Opposition gegen "Jamaika".

Zum Auftakt hat er gleich mal durchpräsidiert. Am Freitag leitete Michael Müller erstmals als neuer Bundesratspräsident die Sitzung der Länderkammer. Es war die 961. Zusammenkunft der zweiten Kammer seit 1949, und sie wird als eine der ganz kurzen Sitzungen in die Geschichte eingehen. Weshalb Müllers Entscheidung, vom Beginn bis zum Schluss durchzupräsidieren, insgesamt nur gutanderthalb Stunden, seine parlamentarische Kondition nicht wirklich gefordert hat. Wesentlicher Punkt auf der Tagesordnung war ohnehin der Regierende Bürgermeister selbst – er hielt seine Antrittsrede im neuen Amt, das wie immer auf ein Jahr befristet ist (die Ministerpräsidenten haben sich vor Generationen schon aufs Durchrotieren verständigt). Und jetzt ist wieder Berlin dran. Vor sechzehn Jahren war Klaus Wowereit Bundesratspräsident – Müller folgt ihm also auch hier.

Sein Hauptanliegen hat er am vorigen Wochenende schon im Tagesspiegel vorgestellt: Müller will im kommenden Jahr eine Debatte über ein solidarisches Grundeinkommen anstoßen, auch um aus der ewigen Hartz-IV-Diskussion auszubrechen und neue Möglichkeiten im Umgang mit Langzeitarbeitslosen aufzuzeigen. „Die Herausforderungen der Digitalisierung geben uns die Chance, das Sozialstaatsmodell neu zu konstruieren und dabei gute Arbeit zu schaffen, die allen nützt“, sagte er am Freitag. Ein Oppositionsprojekt der SPD, das Müller zweifellos in einigen Monaten mit anderen sozialdemokratischen Länderchefs über den Bundesrat forcieren wird. Zumal es vor allem den Osten und Berlin trifft. „Nicht hinnehmbar" sei es, dass immer wieder strukturschwache Regionen die ersten Opfer von Umstrukturierungen und Werkschließungen würden.

Vorstoß zu Liegenschaftsverkäufen des Bundes

Einen ersten Erfolg in dem Zusammenhang hatte Müller gleich am ersten Präsidententag: Der gemeinsam mit Brandenburg und Bremen Vorstoß, den Bund zu einer Änderung seiner Liegenschaftspolitik zu veranlassen, bekam eine Mehrheit. Entgegen der bisherigen Praxis, vorgegeben durch die Bundeshaushaltsordnung, sollen Immobilien und Grundstücke des Bundes nicht mehr zu Höchstpreisen an Investoren verkauft werden, sondern auch günstiger an Länder, Kommunen, öffentliche Stiftungen oder Gesellschaften abgegeben würden, „insbesondere für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“. Auch das schon SPD-Oppositionspolitik, die direkt in die Jamaika-Koalitionsverhandlungen wirken soll. Laut Berliner Mieterverein verfügt der Bund allein in der Hauptstadt noch über fast tausend Liegenschaften, von denen rund 250 zu Wohnzwecken genutzt würden. Zwischen 2014 und 2016 seien 79 Liegenschaften "in der Regel im Höchstpreisverfahren" veräußert worden. "Was mit den Grundstücken anschließend passiert, interessierte den Bund bisher kaum", so Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild.

Zweites Anliegen im Müllerschen Amtsjahr: dem Rechtspopulismus die Stirn bieten. Die AfD ist für Müller keine demokratische Partei: „Wir haben während des Wahlkampfes erleben müssen, wie die Begriffe Freiheit und Demokratie von Populisten antidemokratisch umgedeutet wurden“, sagte er. Ärgerlich für den Sozialdemokraten, dass Willy Brandts berühmter Satz "Wir wollen mehr Demokratie wagen" von der AfD im Wahlkampf übernommen wurde. Das sei Missbrauch des Begriffs der Demokratie, so Müller. „Schulterzucken oder gar ein schleichendes Sich-daran-Gewöhnen sind als Reaktion dabei nicht angemessen und auch nicht ausreichend.“ Denn Freiheit bedeute nicht Ausgrenzung und Abschottung von anderen, „sondern Offenheit, Mitmenschlichkeit und Toleranz“. Gerade Berlinerinnen und Berliner wüssten das.

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