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Berlin gilt als liberale Stadt - und als "Hauptstadt der Schwulen und Lesben". Die Kirche hat sich damit arrangiert. Verbände und Politiker befürchten, dass sich das unter dem neuen Erzbischof ändert.

© dpa

Neuer Erzbischof: Reaktionen aus den Gemeinden der Stadt

Noch ist Rainer Maria Woelki ein Unbekannter für viele Berliner - und die, die ihn kennen, sind gespalten: Die einen freuen sich auf den Hardliner. Die anderen finden, ein erzkonservativer Bischof passt nicht zu Berlin.

„Rainer Maria Woelki? Nie gehört. Wer soll das sein?“ Die ältere Frau, die in die Sonntagsmesse in Sankt Ludwig in Wilmersdorfer will, schüttelt den Kopf. So wie ihr geht es am Sonntag vielen Katholiken, die im Nieselregen zum Gottesdienst wollen. Der neue Erzbischof, dessen Name tags zuvor in der Hedwigs-Kathedrale bekanntgegeben wurde, ist wohl für die meisten Berliner unbekannt.

„Es ist gut, dass es schnell wieder einen Erzbischof gibt“, sagt Günter John, als er vor der Sankt Michael-Kirche am Engelbecken in Mitte die Blätter und die Lindenblüten vom Straßenpflaster fegt. Seit 1954 gehört der engagierte Ehrenamtliche zu der Gemeinde, die durch den Mauerbau geteilt wurde, und nach 1989 nicht wieder zusammenfand. Woelki wird der sechste Bischof, den John erlebt. Und auch an die Zeit des konservativen Kardinals Joachim Meisner als Bischof von Berlin kann er sich noch gut erinnern. Es sei gut, dass einer seiner engsten Mitarbeiter käme, „weil wir eine klare Linie brauchen“, sagt John. Gerade in einer multikulturellen Stadt wie Berlin müssten die Christen Profil zeigen. So sieht das auch Michael Schneider, ein eher jüngerer Kirchgänger mit Stoppelbart und Lederjacke, der erst vor einigen Jahren nach Berlin gezogen ist. „Ich kenne Woelki nicht“, sagt er. „Aber was ich über ihn gelesen habe, nämlich dass er aus Köln kommt, ein Rheinländer ist und mit Meisner zusammengearbeitet hat, finde ich sehr gut.“ Er würde sich freuen, wenn der neue Erzbischof in Berlin „deutlich sagt, was katholisch ist“, meint Schneider. Der Glaube dürfe nicht verwässern, gerade dann, wenn man auch mit anderen Religionen in den Dialog treten wolle.

Ganz andere Töne sind in Wilmersdorf zu hören. Zwar ist im Schaukasten der Pfarrei schon ein selbstgebastelter Aushang mit einem Foto des neuen Erzbischofs zu sehen. „Sankt Ludwig heißt Dr. Rainer Maria Woelki, Weihbischof in Köln, als neuen Erzbischof in Berlin herzlich willkommen“, steht darauf. Doch die Menschen, die am Ludwigskirchplatz aus der Messe kommen, und wenige Minuten zuvor noch für den verstorbenen Kardinal Sterzinsky und den neuen Erzbischof Woelki gebetet hatten, reagieren auf die Stichworte „Köln“ und „Meisner“ eher skeptisch. Denn die Pfarrei der Franziskaner gilt in Berlin als eher liberal und kritisch. „Das soll ein ganz Konservativer sein – wie das wird, muss man abwarten“, sagt Renate Arndt. „Ich hätte mir eher einen Liberalen gewünscht.“ Eine andere Kirchgängerin ist noch skeptischer. „Ich hoffe, dass er nicht so ist, wie ich befürchte“, sagt die Frau, die ihren Namen „lieber nicht“ in der Zeitung lesen will. „Eine Stadt wie Berlin braucht eine gewisse Offenheit und das Zugehen auf andere Konfessionen – und kein Geschöpf von Meisners Gnaden.“ Otmar Berns dagegen möchte dagegen erst einmal abwarten, wie sich der neue Erzbischof in Berlin präsentieren wird. Er kenne Rainer Maria Woelki bislang nur aus dem Tagesspiegel und der „Abendschau“. „Wir sollten ihm eine faire Chance geben“, sagt der Gottesdienstbesucher. „Bei Papst Benedikt XVI. haben ja auch alle gesagt: Um Gottes Willen, nur nicht der – und mittlerweile freuen sich doch viele auf seinen Berlin-Besuch.“ Benjamin Lassiwe

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