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Urnengang. Der Abgeordnete Simon Weiß sammelte am Freitag die Stimmkarten in der Fraktionssitzung der Piraten ein. Andreas Baum (Mitte) wurde im Amt bestätigt, rechts neben ihm Heiko Herberg, der neuer Parlamentarischer Geschäftsführer wurde.

© dpa

Neuer Vorstand der Piratenfraktion: Kabale und Piratenliebe

Die Piraten haben ihren alten Vorstand abgewählt. Jetzt gibt es eine Doppelspitze und personelle Veränderungen in den Ausschüssen. Die inhaltliche Arbeit lässt aber zu wünschen übrig.

Von Sabine Beikler

Am Ende hatten sich alle 15 Piraten wieder lieb. Relativ lieb, denn vor der öffentlichen Fraktionssitzung am Freitag war von „Mobbing“ und während der Sitzung von einem „abgekarteten Spiel“ die Rede. Die Piraten-Fraktion schaffte nämlich ihren alten Vorstand ab und wählte einen neuen. Das Duo an der Spitze bilden der amtierende Fraktionschef Andreas Baum und der neu gewählte Abgeordnete Christopher Lauer. Heiko Herberg wurde zum parlamentarischen Geschäftsführer gewählt, nachdem wie berichtet Martin Delius sein Amt niedergelegt hatte. Delius will sich seiner Arbeit als künftiger Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses stärker inhaltlich widmen.

Bildergalerie: Die Pannen der Piraten

Der Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner hatte sich ebenfalls für den Geschäftsführer-Posten interessiert, zog seine Kandidatur aber zurück. „Alle relevanten Ausschüsse wurden mir entzogen. Man hatte mir auf der Klausurtagung verständlich gemacht, dass ich in vielen Punkten nicht mit der Fraktion übereinstimme, und dass man mich als Gegner betrachtet“, sagte Claus-Brunner dem Tagesspiegel. Es bleibe ihm jetzt nur noch dieser im Grunde „tote Sonderausschuss Wasser“. Und als Mitglied im Hauptausschuss habe die Fraktion einen „Sündenbock“ gesucht, da „wir in diesem Ausschuss nicht viel geliefert haben“, schimpfte der 40-jährige Maschinenbaustudent. Gemäßigt hörte sich seine Rückzugserklärung dann vor seiner Fraktion an. Er werde eben keine Zeit haben für zwei Ausschüsse.

Ursprünglich wollten auch die Abgeordneten Fabio Reinhardt und Simon Kowalewski für den Vorstand kandidieren. Reinhardts Begründung: „Es gibt andere Kandidaten, denen das wichtiger ist. Deshalb ziehe ich die Kandidatur zurück.“ Kowalewski erklärte: „Es sollen andere die Chance haben, sich zu beweisen. Ich möchte nicht im Weg stehen.“ Mit „andere“ waren Baum und Lauer gemeint.

Das gefiel dem Abgeordneten Wolfram Prieß ganz und gar nicht, der „enttäuscht vom restlichen Feld“ war. Er kandidiere nun, um die „Farce der Wahl“ abzuwenden und nannte sie ein „abgekartetes Spiel“. Prieß verlor in einer Kampfkandidatur deutlich gegen Lauer.

Sexistische, rassistische und antisemitische Ausfälle

Der Vorstand wird künftig auf Antrag von Claus-Brunner jährlich gewählt. Das stimmte ihn nach der Sitzung versöhnlich. Das Ergebnis habe gezeigt, dass „nicht alle grundsätzlich gegen mich sind“. Er sei eben emotional aufgeladen gewesen.

Was ist da los bei den Piraten? Sie spielen Rochaden, wechseln Abgeordnete in einigen Ausschüssen aus. Offensichtlich ist die Einsicht in der Fraktion da, dass nach neun Monaten seit ihrem Einzug ins Parlament doch mehr inhaltlich geliefert werden muss. Transparenz und „liquid democracy“ im Internet reichen nicht für eine parlamentarische Arbeit auf Dauer aus. Die Piraten haben zwar einen neuen Stil ins Landesparlament gebracht, aber sexistische, rassistische und auch antisemitische Ausfälle sind in Blogs zu lesen gewesen. Ob es die abfälligen Worte von Claus-Brunner – für die er sich dann entschuldigte – waren, dass Frauen, die für eine Frauenquote seien, auch nur einen Posten mit „Tittenbonus“ haben wollten. Oder der von Delius geäußerte missratene Vergleich zwischen dem Erfolg der Piraten und dem Aufstieg der NSDAP.

In vielen Themenfeldern hat sich die Fraktion noch nicht profiliert. Ein inhaltlich breites Angebot fehlt. Und ob die eingereichte Organklage für mehr Rechte für Einzelabgeordnete Erfolg haben wird, bleibt erst einmal abzuwarten.

Vor der gestrigen Fraktionssitzung hatten sich die Piraten vier Tage lang ins Potsdamer Mercure-Hotel zurückgezogen. Es wurde nichtöffentlich über Satzungsfragen diskutiert. Warum? Es sei „einfach verdammt schwierig, offen über seine Arbeitsbelastung und die daraus resultierenden Folgen zu sprechen, wenn Menschen dabei stehen, die man kaum kennt oder Kameras auf einen gerichtet sind“, ist auf der Internet-Seite der Piraten zu lesen. Um Inhalte ging es dort übrigens nicht. Die sollen demnächst auf einer Strategieklausur öffentlich diskutiert werden.

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