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Wir wollen niemals auseinandergehen. Keimzeit sind Andreas Sperling und die Brüder Norbert, Roland und Hartmut Leisegang (von links). In der Kulturbrauerei stellten sie ihr neues Album vor.

© dapd

Neues Album von Keimzeit: 30 Jahre Geschwisterliebe

Mehr als „Kling Klang“: Einst war die Brandenburger Band Keimzeit Familiensache. Dann wurde sie populär und feiert jetzt 30. Geburtstag. Heute ist ihr neues Album erschienen und die Band hat es in Berlin vorgestellt.

Wie Popmusik gemacht wird? Na, so: „Wir haben uns viel gestritten und waren als Band nicht so super vorbereitet“, sagt der Keyboarder. „Wir haben darüber gestritten, ob das wirklich nottut, diese Songs aufzunehmen“, sagt der Sänger. „Wir haben lange gestritten, wem welches Lied besonders gefällt und dann die Songs für die Setliste ausgelost“, sagt der Bassist. Ziemlich erstaunlich, dass bei dem Hickhack dann doch das am heutigen Freitag erscheinende Album und eine Tour rausgekommen sind.

Die „Kolumbus“ genannte und nautisch dekorierte CD hat die Band Keimzeit am Donnerstagabend schon mal mit einem kleinen Talk über ihre künstlerische Arbeitsweise und einem auf „Radio Eins“ übertragenen Konzert im Maschinenhaus der Kulturbrauerei vorgestellt. Als Auftakt der Feierlichkeiten zum Bühnenjubiläum der märkischen Jungs.

Keimzeit ist die Band aus Brandenburg, die mit Nachnamen hauptsächlich Leisegang heißt. Frontmann und Liederschreiber Norbert Leisegang und seine Rhythmusgruppe – Bruder Hartmut am Bass und Bruder Roland an den Drums – betreiben ihre Ende der Siebziger noch mit der inzwischen ausgestiegenen Schwester Marion begonnene Hausmusik jetzt schon 30 Jahre lang in aller Öffentlichkeit. Zuerst noch unter dem Bandnamen Jogger, der damals im heimischen Lütte bei Belzig zweifellos eine urst coole Ansage war.

1982 nannten sich die für ihre mitunter fünf Stunden langen, meist inoffiziell organisierten und damals immer stark alkoholgeschwängerten Konzerte berühmten Deutschrocker dann in Keimzeit um, was eine gute Entscheidung war. So heißen sie nach einer Wiedervereinigung, zehn Studioalben und zahllosen Konzerttouren immer noch. Und ihr bekanntester Song „Kling Klang“, der 1993 raus kam, war dann schon ein bundesweiter Hit.

Das Ostband-Ding interessiere eh nur noch Journalisten, sagt Norbert Leisegang. „Unser Tourplan mit 50 Konzerten in diesem Jahr geht quer durch Deutschland.“ Und das neue Album haben sie vergangenen November sowieso ganz international im Süden Spaniens bei ihrem Produzenten Paul Grau eingespielt. Selbstverständlich mit Keyboarder Andreas Sperling, der weder verwandt noch verschwägert ist und trotzdem seit fast 20 Jahren zu Keimzeit gehört.

30 Jahre mit Geschwistern Musik machen, wie hält man das aus? „Gar nicht, ist nicht auszuhalten“, sagt lächelnd Norbert Leisegang, der auch Soloprojekte betreibt. Etwa sein zweites Kinderbuch „Mama sag’ mir, warum“, das nächsten Montag erscheint. Dann setzt der 51-Jährige neu an und antwortet politisch korrekt, dass es toll sei, Geschwister zu haben und mit ihnen zu musizieren. „Der Fluch ist: man schleppt alle Kindheitsmuster mit.“ Auch musikalische. Die Prägung durch Volkslieder ist ein Grund, warum der in Potsdam und Berlin lebende Bandchef immer deutsch textet. Seine alte Gegend, den Hohen Fläming, beschreibt er so: „Ein bisschen unsensationell, aber landschaftlich sehr reizvoll.“

Zum Album „Kolumbus“ großartige Erklärungen abzugeben, ist nicht gerade Keimzeits Ding. Verglichen mit der fluffigen Draufgängernummer „Kling Klang“ schwingt inzwischen bei den gut erhaltenen Herren doch auch einiges an Wehmut, Weisheit und gelebtem Leben mit. Die verhaltene Titelballade „Kolumbus“ jedenfalls ist eine stolze Nummer, die mit 5 Minuten 30 Länge alle Anforderungen des Formatradios von sich weist. Kann man sich schon richtig vorstellen, wie die Moderatoren da vorne aufs Intro quatschen und hinten dafür ausblenden. Ist Keimzeit egal. Sie wollen streitbar sein und keine Kompromisslertruppe.

Neues Album: „Kolumbus“ erscheint heute bei Comic Helden (Edel), Jubiläumskonzert: Open Air in der Kulturbrauerei, 2. Juni, 19 Uhr, 25 Euro plus Gebühr

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