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Neues Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg: SPD-Fraktion streitet über neuen Baustadtrat

Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann würde gerne mehr Flüchtlinge im Bezirk aufnehmen. Und der neue Baustadtrat startete mit Gegenwind aus der SPD ins neue Amt.

Das neue Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist gewählt. Sozialer und gerechter soll es Bezirk künftig zugehen, kündigte Bürgermeisterin Monika Herrmann an. Die Verdrängung von Menschen durch immer höhere Mieten müsse gestoppt, die Vielfalt erhalten bleiben. Sie hoffe auch, "dass hier viele Flüchtlinge weiter leben können", sagte die Grünen-Politikerin. Ihr Wunsch wäre es, dass der Bezirk noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könnte. "Doch dafür fehlen uns leider die Möglichkeiten zur Unterbringung." Es gibt also auch im linksalternativen Friedrichshain-Kreuzberg eine Obergrenze.

Grünen-Politikerin Monika Herrmann wurde erneut zur Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg gewählt.
Grünen-Politikerin Monika Herrmann wurde erneut zur Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg gewählt.

© dpa/ Paul Zinken

Für die alte und neue Bezirksbürgermeisterin lief die Wahl reibungslos. Die 55-köpfige BVV wählte sie am Donnerstagabend mit 39 von 42 Stimmen des grün-rot-roten Bündnisses. Nur gegen den neuen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) wurde Kritik aus den Reihen der SPD-Fraktion laut. Der Bezirksverordnete John Dahl meldete sich vor dem Wahlgang zu Wort und äußerte Zweifel daran, dass der Stadtsoziologe und bisherige Atelierbeauftragte des Senats für das Amt geeignet sei. Es fehle ihm an Erfahrung und Expertise, eine Behörde zu leiten, sagte der SPD-Politiker. Dafür sei Durchsetzungskraft nötig.

Und dann ging es wieder um das Dragoner-Areal

Dem Stadtaktivisten, der sich in verschiedenen Initiativen für die Stadtentwicklung engagiert hat, warf Dahl außerdem mangelnde politische Integrität vor. Schmidt habe für einen früheren Investor des Dragoner-Areals in Kreuzberg auf Honorarbasis eine "Schein-Beteiligung" von Bürgern organisiert und sich damit "zum Steigbügelhalter von Spekulanten" gemacht, erklärte Dahl vor der BVV. Aus der SPD-Fraktion gab es dafür von einigen Bezirksverordneten Beifall. Der neue Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck betonte aber anschließend, dass es sich um eine Einzelmeinung handele, die nicht von der gesamten Fraktion geteilt werde. Es habe bei der Probeabstimmung in der Fraktion zuvor neben Dahl vereinzelt kritische Stimmen gegeben, sagte Forck. "Aber wir haben mit Grünen und Linken insgesamt eine sehr gute Kooperationsvereinbarung zur gemeinsamen Bildung des Bezirksamts geschlossen, und die SPD-Fraktion fühlt dieser Vereinbarung verpflichtet".

Die Kapazitäten sind auch in Friedrichshain-Kreuzberg bald erschöpft.
Die Kapazitäten sind auch in Friedrichshain-Kreuzberg bald erschöpft.

© Tsp

Neuer Baustadtrat will im Dialog mit Bürgern planen

Florian Schmidt wurde anschließend mit 37 von 53 abgegebenen Stimmen zum Stadtrat gewählt, neben Stadtentwicklung für Straßen und Grünflächen sowie für das Facility Management zuständig. Schmidt wies den Vorwurf, er habe sich bei der Planung des Dragoner-Areals die Interessen des damaligen Investors, der ABR German Real Estate, zu eigen gemacht, gegenüber dem Tagesspiegel zurück. Es habe sich um ein mehrstufiges, dialogisches Verfahren gehandelt, bei dem zwischen den Interessen des Bezirks, des Investors, Bestandsnutzern, Stadtteilinitiativen und interessierten Bürgern vermittelt wurde. Der 41-jährige Stadtaktivist und Nachfolger des Grünen-Baustadtrats Hans Panhoff hat in verschiedenen Initiativen zur Stadtentwicklung mitgewirkt und zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen vermittelt. In Kreuzberg leitete er seit 2009 das "Projektbüro Kreativquartier Südliche Friedrichstadt", begleitete dort ein Dialogverfahren bei den Planungen zum ehemaligen Blumengroßmarkt und war Koordinator des unabhängigen Runden Tisches zur Liegenschaftspolitik des Abgeordnetenhauses. Seit 2011 ist er Sprecher der Initiative "Stadt Neudenken".

Schmidt kündigte an, sich als Baustadtrat für eine neue Liegenschaftspolitik und eine "breit angelegte Rekomunalisierung von Immobilien" einsetzen zu wollen, um sie "der Spekulation zu entziehen". Dafür gebe es zahlreiche Finanzierungsmodelle. Er hoffe dabei auch auf die Unterstützung des rot-rot-grünen Senats. Bauvorhaben der städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollten in B-Planverfahren mit breiter Bürgerbeteiligung realisiert werden. "Die Sache muss noch mal völlig neu angegangen werden", sagte Schmidt. Außerdem sprach er sich für "innovative Verkehrskonzepte" aus. Die geplante Umgestaltung der Bergmannstraße könnte zum Modell für neue Begegnungsräume ("shared space") werden.

Vor ihrer Wahl stellten sich die Kandidaten für das neue Bezirksamt vor und erklärten ihre politischen Ziele. Die Grünen-Politikerin Clara Herrmann, die im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zuletzt die Haushaltpolitik des Landes im Blick hatte, sprach sich als neue Stadträtin für Finanzen, Weiterbildung, Kultur und Umwelt für ein "transparentes Finanzierungssystem" der Bezirke aus. Sie möchte vor allem den bezirklichen Kulturfonds stärken. Der erneut gewählte Stadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke), zuständig für die Bereiche Gesundheit, Soziales, Beschäftigung und Bürgerdienste und zugleich Vize-Bürgermeister, will vor allem das nachbarschaftliche Miteinander stärken. Mildner-Spindler lud alle Parteien und ausdrücklich auch die beiden AfD-Bezirksverordneten dazu ein, sich konstruktiv am Streit um die politische Gestaltung im Bezirk zu beteiligen.

Ordnung muss sein - auch in den Vergnügungsvierteln

Der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende Andy Hehmke, neuer Stadtrat für Schule, Sport, Ordnungsamt und Wirtschaftsförderung erklärte, sich für eine höhere Akzeptanz der bezirklichen Ordnungsdienste einsetzen zu wollen. Besonders in den Partyzonen des Bezirks müsse das Ordnungsamt, wenn nötig auch mit Unterstützung der Polizei, für die Einhaltung von Regeln sorgen. Außerdem müsse die Gewerbevielfalt im Bezirk erhalten werden, sagte Hehmke. Monokulturen, die vor allen die Bedürfnisse des Ausgehpublikums bedienten, sollen sich nicht weiter ausbreiten.

Eine "soziale und gerechte Politik" versprach Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann - besonders, um die Verdrängung von Einwohnern durch hohe Mieten zu verhindern und die bunte Vielfalt im Bezirk zu erhalten. Dazu gehöre auch, dass künftig "mehr Miet- und nicht immer noch weitere Eigentumswohnungen" entstünden. Dafür sei es auch notwendig, die Beschäftigungslage im Bezirk zu verbessern. "Es gibt zu viele Menschen, die in prekären Situationen leben", sagte Herrmann. Die grüne Bezirksbürgermeisterin setzt dabei auch auf den "gemeinsamen Gestaltungswillen" von Bezirk und Senat: Rot-Rot-Grün habe einen Koalitionsvertrag geschlossen, "der Berlin, was Soziales und Gerechtigkeit angeht, in großen Schritten voranbringt". Ein bisschen Stolz darf mitklingen - Monika Herrmann hat das Werk selbst mit ausgehandelt.

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