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Teuer. Medizintechnik, wie hier im Vivantes-Klinikum Neukölln, kostet die Krankenhäuser viel Geld.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neues Gesetz zu Kliniken in Berlin: Schnelles Geld – aber immer noch zu wenig

Gesundheitssenator Czaja will zwar mehr Spielraum für die Krankenhäuser - doch um marode Bauten und alte Technik zu ersetzen, bräuchten sie 219 Millionen Euro im Jahr.

Die Berliner Krankenhäuser bekommen mehr finanziellen Spielraum – auch wenn sie wegen des anhaltenden Sparkurses des Senats insgesamt nicht mehr Geld erhalten. In der Debatte um marode Gebäude und alte Medizintechnik setzt der Senat aber erstmals auf Pauschalinvestitionen. Eine entsprechende Gesetzesvorlage stellte Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Dienstag vor.

Senator Czaja: weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung

Die Landesregierung ändert ihre Krankenhauspolitik so entscheidend. Bislang bekommen die Kliniken meist Einzelförderungen. Die Klinikleitungen müssen dazu Anträge stellen: Möchte eine Klinik einen alten Operationssaal ausbauen lassen, muss sie das gut begründen. Wird eine Rettungsstelle in einem beliebten Kiez immer voller, muss die Klinik darlegen, warum ein Neubau nötig sei. Kliniken, die mehr politischen Druck erzeugen konnten, dürften mehr Geld erhalten haben. Geht es nach Czaja, sollen die Investitionen ab Juli 2015 pauschal erfolgen. Dadurch ergäben sich viele Vorteile: Es sei weniger Bürokratie nötig, gleichzeitig gäbe es mehr Planungssicherheit, weil nicht fortlaufend Einzelanträge berücksichtigt werden müssten. Außerdem bekämen die Kliniken – von vielen Geschäftsführern gewünscht – mehr Eigenverantwortung.

Neues Entgeltsystem eingeführt

Doch nach welchen Kriterien sollen die 50 Plankrankenhäuser der Stadt mit ihren insgesamt bald 21 000 Betten künftig Geld erhalten? Plankrankenhäuser sind Kliniken, die für die Versorgung als notwendig erachtet werden und Anspruch auf Investitionen durch das Land haben. Die Höhe der einzelnen Summen für diese 50 Kliniken will Czaja nach einem neuen System festlegen lassen: Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in Siegburg hatte im April bekanntgegeben, wie hoch der Investitionsbedarf aller Häuser ist – und zwar nach Zahl der Patienten und der Schwere ihrer Erkrankungen und Verletzungen. Kliniken etwa, die Brandopfer versorgen, bräuchten demnach tendenziell mehr.

219 Millionen Euro nötig, 70 Millionen Euro erhalten

Allerdings will der Senat nur die InEK-Verteilungsmaßstäbe anwenden, nicht die vom Institut errechnete Summen. Dem InEK zufolge brauchen die Berliner Kliniken insgesamt 219 Millionen Euro im Jahr. Der Haushalt des Senats sieht 2014 aber nur 70 Millionen Euro vor, 2015 sind 77 Millionen Euro.

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU).
Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU).

© dpa

Deutliche Kritik kam von Heiko Thomas, Gesundheitsexperte der Grünen: „Wenn die Krankenhäuser künftig selbst entscheiden können, besteht die Gefahr, dass sie vor allem in Bereiche investieren, wo sie höhere Gewinne erwarten. Wer den freien Markt will, bekommt ihn auch.“ Die Ökonomisierung zu Lasten der Patienten sei schon zu weit gegangen. Und ohnehin, heißt es in der Opposition: Czaja verteile den Mangel nur anders. „Die gleiche zu niedrige Summe wird einfach nach anderen Kriterien verteilt“, sagte Wolfgang Albers, Gesundheitsexperte der Linken. Eine neue Fördersystematik allein ändere eben wenig an den Investitionslücken, teilte die Krankenhausgesellschaft mit.

Vivantes bekäme etwas mehr

Andrea Grebe, Chefin der landeseigenen Vivantes-Kliniken, hatte am Dienstag im Tagesspiegel gesagt: Allein für ihre Häuser seien 40 Millionen Euro im Jahr zusätzlich nötig, sonst drohe die Qualität der Versorgung zu leiden. Rund 22 Millionen Euro bekommen die Vivantes-Kliniken 2014. Nach dem von Czaja geplanten Gesetz dürften es 2015 geschätzt 26 Millionen Euro sein – immer noch 36 Millionen Euro zu wenig.

Der Senator weiß, dass die Gesamtsumme, aus der sich die Pauschalen speisen, nicht reicht, um einer alternden und wachsenden Bevölkerung gerecht zu werden. Bei Czaja beschweren sich auch die Krankenkassen: Laut Gesetz bezahlen sie Medikamente und Klinikpersonal – doch seit Jahren werden ihre Mittel in die verschleppten Modernisierungen der Krankenhäuser gesteckt, die eigentlich das Land bezahlen müsste.

82 Prozent der Krankenbetten dauerhaft belegt

Berlin hat eine der niedrigsten Bettendichten, dauerhaft sind 82 Prozent der Krankenbetten belegt, im Bundesschnitt sind es 77 Prozent. In Berlin gibt es besonders oft Fälle, deren Heilung viel Personal und Expertise erfordern. Wenn der Senat seine Kliniken so fördern würde, wie die Bundesländer dies im Durchschnitt tun, müsste er statt der 70 Millionen rund 140 Millionen Euro ausgeben. Czaja, die Opposition sowie die Experten aus Kliniken und Krankenkassen sind sich folglich einig: Berlin investiert zu wenig. Doch Czaja muss Rücksicht auf den Sparkurs des Finanzsenators nehmen.

Bundesweit die niedrigsten Klinikinvestitionen.
Bundesweit die niedrigsten Klinikinvestitionen.

© Tsp

Berliner Klinikchefs äußerten sich am Dienstag vorerst nicht. Pauschalen dürften denjenigen egal sein, die bislang viel Geld bekommen haben – und diejenigen ärgern, die auf spätere Einzelförderungen hofften. Czaja sagte, die Kliniken hätten sich weitgehend angeglichen – einen „gerechteren Zeitpunkt“ als 2015 werde es kaum geben.

Die Krankenhausgesellschaft hätte das Gesetz gern erst 2016 gesehen. Dann nämlich wird ein neuer Haushalt aufgestellt – und, so die Hoffung, wäre dann womöglich auch mehr Geld verteilt worden. Czaja sagte, er gehe zwar davon aus, dass die Gesamtsumme im neuen Haushalt steigen werde – dem Bundesschnitt entsprechende 140 Millionen Euro werden es wohl aber nicht. Das geplante Gesetz löst auch nicht das Finanzproblem der Charité – die Universitätsklinik bekommt ihr Geld vor allem über die Wissenschaftsverwaltung.

Senator Czaja hat mit Wowereit über die Kliniken gesprochen

Lange war übrigens die SPD für Einzelförderungen und gegen Pauschalen. Damit ging zwar bürokratischer Aufwand einher, die Krankenhäuser hatte der Senat aber scheinbar enger unter Kontrolle. Dem Vernehmen nach hat sich Czaja bei Klaus Wowereit (SPD) für die Pauschalen stark gemacht - wohl auch mit dem Verweis darauf, dass SPD-geführte Länder wie Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ebenfalls so ihre Kliniken finanzieren. Einzelförderungen gibt es vor allem in Süddeutschland – dort wird allerdings ein Vielfaches in die Kliniken gesteckt. Das Gesetz soll spätestens im Dezember im Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Einen Kommentar dazu lesen Sie hier.

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