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Balkone an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Mitte

© Kitty Kleist-Heinrich

Neues Gutachten zum Berliner Mietendeckel: Mietenstopp ist verfassungsgemäß, Mietabsenkung nicht

Der Berliner Senat hat noch keine Einigung zum Mietendeckel. Nun gibt es ein Gutachten des Staatsrechtlers Battis zum geplanten Gesetzesentwurf.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein auf fünf Jahre befristeter, in einem Landesgesetz verankerter Mietenstopp ist durch das Grundgesetz gedeckt. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens, das der Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Battis im Auftrag der Senatskanzlei verfasst hat. Das geplante Mietenmoratorium gehe zwar über die Mietpreisbremse des Bundes hinaus, sei aber „als Teil eines wohnungspolitischen Konzepts zur Wiederherstellung eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes“ von der Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt, heißt es in dem 25-seitigen Papier aus der Anwaltskanzlei GSK Stockmann, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Dagegen hält Battis die Absenkung von Mieten und die Festlegung von Mietobergrenzen, wie sie im Gesetzentwurf der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) für einen Berliner Mietendeckel festgelegt sind, für verfassungswidrig. Die Landeskompetenz für das Wohnungswesen und damit auch für das Mietpreisrecht, die seit der Föderalismusreform 2006 zweifelsfrei bestehe, befreie nicht von der Prüfung staatlicher Zugriffsmöglichkeiten in jedem Einzelfall.

Bund und Länder seien verpflichtet, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, dass die Rechtsordnung nicht widersprüchlich werde. Nach Einschätzung des Gutachters verstoßen aber landesgesetzliche Mietsenkungen und -obergrenzen, über die sich Rot-Rot-Grün gerade streitet, gegen dieses Rechtsstaatsprinzip.

Beide Bestandteile des Gesetzentwurfs Lompschers stünden „in diametralem Gegensatz zum bundesgesetzlichen Konzept des sozial abgefederten zivilrechtlichen Mietrechts“ des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es dem Landesgesetzgeber aber verwehrt, „konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers zu verfälschen“. Im vorliegenden Fall sogar geradezu in ihr Gegenteil zu verwandeln, so Battis.

Der renommierte Jurist macht trotzdem Vorschläge, wie die von Lompscher vorgeschlagene Tabelle für Mietobergrenzen einigermaßen rechtssicher „gründlich überarbeitet“ werden könnte, um rechtssicherer zu werden. Die vorliegenden Kriterien „erstmalige Bezugsfertigkeit der Wohnung und Ausstattung“ seien nicht sachgerecht.

Als entscheidendes Kriterium sieht Battis die Lage der Wohnung an. Auch müsse „die Attraktivität und Werthaltigkeit umfassend sanierter und modernisierter Altbaubestände aus der Zeit vor 1918“ bei den Mietobergrenzen Niederschlag finden. Nur so könnten sich die Mietobergrenzen nach Ansicht von Battis dem „zivilrechtlichen Vertragsrecht“ annähern.

Gutachter: Eine rechtssichere Reparatur des Entwurfs sei nicht leistbar

Der Gutachter glaubt allerdings nicht, dass eine rechtssichere Reparatur des Entwurfs für ein Berliner Mietengesetz bis Anfang 2020 leistbar ist. Neben den schon genannten Kritikpunkten müssten die Regelungen des Mietendeckels den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung tragen. So reiche der Verweis auf eine Härtefallregelung für Vermieter nicht aus.

Der Senat plant, dass das Gesetz im nächsten Januar in Kraft tritt. Battis befürchtet, dass es bis dahin nicht gelingt, den Gesetzesvollzug mit Hilfe der Bezirke, der Investitionsbank Berlin (IBB) oder eines neuen Landesamtes abzusichern. Vor Ende 2020 würde der Gesetzesvollzug durch eine funktionsfähige Organisation mit einsatzfähigem Personal und IT-Technik wohl nicht zu erwarten sein.

Es sei aber verfassungsrechtlich vorgeschrieben, so Battis, dass Rechtsnormen, die in Grundrechte der Bürger eingreifen, dies für den Betroffenen so regeln müssten, „dass die Folgen für ihn erkennbar sind und er sein Verhalten darauf einrichten kann“. Der Gutachter kritisiert auch, dass betroffene Mieter oder Vermieter gleich zum Verwaltungsgericht laufen müssten, ein Widerspruchsverfahren bei den Bezirksämtern ist bislang nicht vorgesehen. Das entlaste zwar die Bezirke, belaste aber umso stärker die Gerichtsbarkeit. „Dadurch wird das Vertrauen der Bürger in eine rechtsstaatliche Verwaltung nicht gefördert.“

„Vorschläge gibt es genug“

Das Gutachten mahnt auch, um den Mietendeckel weniger angreifbar zu machen, eine viel umfangreichere Begründung an. Um deutlich zu machen, welchen geeigneten Beitrag das neue Gesetz zum Schutz vor hohen Mieten „zusätzlich zur bundesgesetzlichen Mietenbremse“ leiste. Außerdem wird dem Senat geraten, parallel zum Mietengesetz ein „schlüssiges Gesamtkonzept“ zur Beseitigung der Schieflage des Berliner Wohnungsmarkts vorzulegen.

Dazu gehöre, so Battis, etwa eine besser organisierte Bauverwaltung, die Aktivierung von Flächenpotenzialen für große Wohnquartiere, die Realisierung der Landesplanung mit Brandenburg und Bundesratsinitiativen zum Planungs- und Städtebaurecht. „Vorschläge gibt es genug.“

Stadtentwicklungssenatorin Lompscher will am Dienstag im Senat einen überarbeiteten Gesetzentwurf für den Mietendeckel vorlegen. Zwei Tage später wird der Koalitionsausschuss erneut darüber beraten. SPD, Linke und Grüne haben sich in ihren Positionen angenähert, eine endgültige Einigung steht aber noch aus. Am 22. Oktober will der Senat den Gesetzentwurf beschließen.

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