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Umgeben von Schätzen. Christian Pischel arbeitet im Neuen Museum. Auch er darf nicht mit Nofretete fotografiert werden.

© Miriam Dahlinger

Lange Nacht der Museen: Der Hüter der Nofretete

Was ein Berliner Museumsaufseher in seinem Job so alles erlebt – und worauf es ankommt. Ein Porträt zur Langen Nacht der Museen. Und die besten Tipps.

Anmutig, kühl aber nicht makellos. Die geheimnisvolle Schönheit der Nofretete zieht jedes Jahr über eine Millionen Museumsbesucher in ihren Bann. Wie die Mona Lisa oder das Mädchen mit den Perlenohrringen gehört auch die Nofretete zu der Kategorie Frau, mit der man gerne ein Erinnerungsfoto hätte. Wäre da nicht Christian Pischel. „Entschuldigen Sie bitte, hier sind keine Fotos erlaubt“, ermahnt er in bestimmtem Flüsterton.

Pischel trägt einen schwarzen Anzug mit Weste, dazu eine rot blau gestreifte Krawatte. Die Haare hat er säuberlich zur Seite gekämmt. Wäre er nicht plötzlich aus einer Nische des achteckigen Nordkuppelsaals hervorgetreten, hätte man ihn wahrscheinlich nicht bemerkt. Denn sich im Hintergrund aufzuhalten ist eine der Hauptanforderungen seines Jobs. Christian Pischel ist Museumsaufseher im Neuen Museum in Berlin.

Nun steht er aber gut sichtbar inmitten des hohen Raums und erklärt einer Besucherin, warum Selfies mit der ägyptischen Königin Nofretete nicht erlaubt sind. „Blitzlicht gefährdet die ursprüngliche Farbe der Büste“, erläutert er. Pischel kennt sich aus, immerhin arbeitet er nun schon seit vier Jahren im Neuen Museum.

„Das ist mein Traumjob“

Das Ägyptische Museum im Neuen Museum gewährt einen Einblick in vier Jahrtausende altägyptischer Kultur. Die mehr als dreitausend Jahre alte Büste der Nofretete ist das Juwel der Ausstellung.

In der Schule war Geschichte sein Lieblingsfach, erzählt Pischel. Da bereitet es ihm natürlich Freude, täglich von Kunstschätzen des Alten Ägypten umgeben zu sein: „Der eine ist gerne Bauarbeiter und macht das sein Leben lang, der andere ist Fernfahrer und freut sich immer, wenn er in seinen LKW einsteigt und ein anderer geht eben ins Museum und sagt: Das ist mein Traumjob.“

Obwohl das lange Stehen schon anstrengend sei. Denn einen guten Museumsaufseher zeichne vor allem eines aus: Standhaftigkeit. Sieben bis acht Stunden still stehen, das muss man aushalten können. „Als ich hier angefangen habe, waren meine Waden recht dünn, jetzt sind sie so dick wie die eines Fußballers“, sagt Pischel.

Ein Großteil der Ausstellungsstücke im Neuen Museum ist so wertvoll, dass er nicht nur von Aufsehern bewacht, sondern zusätzlich von Glas und einem komplizierten Alarmsystem beschützt wird. Es gibt aber auch Objekte, die nur durch ein Absperrband von den Besuchern getrennt sind. Eine Aufforderung für viele Besucher, den verstohlenen Versuch zu wagen, die mehrere tausend Jahre alten Artefakte kurz zu berühren.

In diesen Situationen sei es wichtig, die Besucher nicht zu erschrecken, indem man auf sie zuspringt und laut „nicht anfassen!“ ruft, sagt Pischel. „Stattdessen sollte man sich dem Besucher gemäßigt nähern, ruhig auf die Regeln hinweisen und den Gast dann schnell wieder verlassen, damit er sich nicht bedrängt fühlt.“

Die Besucher-Typen

Der Museumsaufseher kennt die verschiedenen Besucher-Typen und weiß, wie man am besten mit ihnen umgeht. Wer so viele Stunden im Museum verbringt, hat Zeit, Menschen zu studieren. Da gibt es den Highlight-Jäger, der noch schnell die Nofretete abhaken will, solange er in Berlin ist.

Außerdem den unfreiwilligen Besucher, dem man ansieht, dass er vom Partner oder der Partnerin zum Museumsbesuch genötigt wurde. Und auf die Kinder muss man achtgeben, weil die gerne alles anpatschen. Am liebsten sind Pischel die Neugierigen. „Bei Fragen dürfen wir unsere Informationen mit den Besuchern teilen“.

Ehrliches Interesse freut ihn sehr. Auch er hat die Neugierde an der Kunst beibehalten. Immer wieder entdeckt er neue Details an den Kunstwerken: „Erst letztens fiel mir an einem Wandrelief ein Gesicht auf, das ich davor noch nie gesehen hatte. Bis mir jemand erklärt hat, dass es sich dabei gar nicht um ein Gesicht, sondern ein leeres Leopardenfell handelt.“ Denn wenn geführte Besuchergruppen in seinen Raum kommen, tritt Pischel unauffällig einen Schritt näher heran und spitzt die Ohren. Vielleicht erfährt er ja eine interessante neue Anekdote über die Kunstwerke, die er bewacht.

Zurück im Raum der Nofretete herrscht ehrfürchtige Stille. Die Stimmung im Saal ist fast feierlich. Alle Blicke sind auf die Nofretete gerichtet. Einigen Besuchern steht das Erstaunen förmlich ins Gesicht geschrieben. Eine junge Frau mit wilden dunklen Locken und einem Reiseführer unterm Arm, neigt konzentriert den Kopf zur Seite, ein kleiner Junge starrt die berühmte Ägypterin mit offenem Mund an. Pischels Blick bleibt neutral. Für ihn ist es Zeit, sich wieder in den Hintergrund zurückzuziehen. Präsenz zeigen, ohne bemerkt zu werden, ist eine ganz eigene Kunst. Pischel hat sie perfektioniert.

Tipps zur Langen Nacht der Museen

Am Samstag findet zum 38. Mal die Lange Nacht der Museen in Berlin statt. Für 18 Euro haben Besucher von 18 bis 22 Uhr Zutritt in 80 Museen der Hauptstadt. Im Fokus stehen diesmal die Treppen der Museen. So tritt im Museumsportal des Neuen Museums die Breakdance-Gruppe “Flying Steps” auf. Und im neobarocken Treppenhaus des Bode-Museums tanzt das Landesjugendballett der staatlichen Ballettschule Berlin.

Für Kinder gibt es ein spezielles Programm. Zum Beispiel werden im Kindermuseum „Machmit“ in Prenzlauer Berg Steckenpferde gebastelt. Im Museum Pankow können Kinder Ziegel selbst herstellen und im Bröhan-Museum in Steglitz werden Anstecker und Jutebeutel gestaltet und bedruckt.
Für Erwachsene könnte sich der Weg ins Museum der Dinge lohnen, wo Besucher zu einer etwas anderen Tupperparty eingeladen sind. Unter dem Motto „Liebesmittel für Fortgeschrittene“ werden Besucher im Rahmen der Sonderausstellung „Erotik der Dinge“ in das Sextoy-Einmaleins eingeführt.

In der Polizeihistorischen Sammlung im Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke liest der Krimiautor Volker Kutscher aus seinem Roman „Lunapark“ vor. Passend zur Ausstellung „Food Revolution 5.0“gibt es am Kulturforum einen Food Markt.

Neu dabei ist das Samurai Art Museum. Es gibt Einblick in die Kultur des legendären Kriegerstandes in Japan. Dort wird eine Schwertkampfkunst-Show mit traditionellen Waffen gezeigt. Komplett überarbeitet ist die Berlin-Dauerausstellung im Märkischen Museum. Alle Infos unter www.lange-nacht-der-museen.de.

Miriam Dahlinger

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