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Update

Neues Museum: "Nofretete soll in Berlin bleiben"

Die Büste der Nofretete steht im Zentrum eines Streits zwischen Ägypten und Deutschland. Das Glanzstück des Neuen Museums soll unrechtmäßig nach Berlin gelangt sein, heißt es im ägyptischen Altertumsrat. In Berlin sieht man das anders.

Wenn das Klima zwischen Berlin und Kairo frostig wird, liegt das meistens an einer ebenso schönen wie weltberühmten Frau: Nofretete, der wohl berühmteste Gipskopf der Kunstgeschichte, das rund 3400 Jahre alte Bildnis der Frau des Pharaos Echnaton. Knapp 100 Jahre dieser Zeitspanne wohnt sie nun schon an der Spree statt am Nil, für Ägyptens Archäologen ein stetes Ärgernis und möglicherweise jetzt auch für den Ministerpräsidenten des Landes.

Am Montag wurde bekannt, dass der Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, Zahi Hawass, an Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, geschrieben und wieder einmal Nofretete zurückgefordert hat. Das ist nichts Neues, doch diesmal gewinnt die Auseinandersetzung offenbar eine neue Qualität. Bislang schien es wie der Kreuzzug eines Einzelnen gegen die Staatlichen Museen zu Berlin, ja die Bundesrepublik. Nun sollen Ägyptens Ministerpräsident Ahmed Nasif und Kulturminister Faruk Hosni die Forderung unterstützen, wie Hawass betont.

Aus dem Schreiben geht das freilich nicht hervor. Parzinger bestätigt, einen Brief vom 2. Januar erhalten zu haben, unterzeichnet von Ägyptens Chefarchäologen und stellvertretenden Kulturminister Hawass, doch ohne die Unterschrift des Ministerpräsidenten. „Ein offizielles Rückgabeersuchen vonseiten des ägyptischen Staates liegt nicht vor“, folgert man daher in der Berliner Stiftung, deren Haltung in der Rückgabefrage laut Parzinger „unverändert“ ist. Diese Lesart teilt Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Dessen Sprecher erklärte, Hawass’ jüngster Brief werde gemeinsam von Bundesregierung und Stiftung beantwortet.

Deren Haltung wird auch vom Berliner Senat geteilt: „Nofretete ist die beliebteste Berlinerin mit Migrationshintergrund. Wir haben ihr ein Museum gebaut, dort fühlt sie sich wohl und dort soll sie auch bleiben“, sagte Kulturstaatssekretär André Schmitz. Auch für Monika Grütters (CDU), Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, hat sich „an der Rechtslage nichts geändert“, wenngleich sie die „Sehnsucht“ der Ägypter nach Nofretete verstehe. Sie hoffe, dass es in der Zusammenarbeit beider Länder einmal erreicht werde, dass die Ägypter stolz auf „ihre schönste Botschafterin“ in Berlin seien, zumal sie in Berlin vermutlich von weit mehr Menschen gesehen werde als bei einer Übersiedlung nach Kairo.

Im ersten Jahr nach ihrem Umzug auf die Museumsinsel wurde die fragile Büste der Pharaonenfrau von 1,2 Millionen Besuchern bewundert. Für Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitBerlin, dem offiziellen Tourismuswerber der Stadt, ist sie das „wahrscheinlich wichtigste Einzelausstellungsstück“ Berlins, „ein absolutes Muss“ bei einem Besuch der Stadt, doch zugleich „eine riesige PR für Ägypten“, vergleichbar der Mona Lisa im Pariser Louvre. Eine Rückgabe nach Kairo ist für ihn „undenkbar“.

Die Attraktivität Nofretetes ist allein schon daran ersichtlich, dass ihr Haus, das Neue Museum, in dieser Woche bis Mittwoch wegen einer bereits notwendigen Grundreinigung geschlossen bleiben muss. Erst im Oktober 2009 war das im Krieg schwer beschädigte, von dem britischen Architekten David Chipperfield rekonstruierte Gebäude, wiedereröffnet worden. Damals war auch der Streit um die von Ägypten verlangte Rückgabe der Büste wieder aufgeflammt. Das Antwortschreiben auf das aktuelle Ersuchen dürfte sich kaum von dem damaligen unterscheiden, zumal Ende 2009 in Kairo noch einmal Dokumente vorgelegt wurden, die den rechtmäßigen Verbleib Nofretetes in Berlin beweisen.

1913 war die Büste nach ihrer Entdeckung durch den deutschen Archäologen Ludwig Borchardt Berlin zugesprochen worden, im Rahmen einer Fundteilung zwischen der Ausgräbernation und dem Ursprungsland. Das war damals unter kolonialistischen Vorzeichen üblich, zumal den Ägyptern Geld und Kenntnisse fehlten, um die Schätze sachgemäß zu bergen. An der Korrektheit dieser Aufteilung hegt Hawass allerdings Zweifel. Er ist überzeugt, dass Nofretete mit Lehm beschmiert wurde, um ihre Bedeutung vor dem ägyptischen Antikendienst zu verbergen. Dem hält Parzinger entgegen, dass damals von den herausragenden Fundstücken Fotografien vorgelegen hätten, außerdem die Kisten zur Begutachtung geöffnet worden seien.

Doch auch wenn Hawass bis heute die Beweise für die Unrechtmäßigkeit schuldig blieb, so belastet die Auseinandersetzung um die schöne Ägypterin doch die Beziehung beider Länder. Erst im Mai hatte Außenminister Guido Westerwelle bei einem Kairo-Besuch um Verständnis geworben – offensichtlich ohne Erfolg.

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