Neues Museum: Sehnsucht nach Säulen
Rund 11.000 Besucher ergründen die Baustelle des Neuen Museums. Viele sind begeistert und einige enttäuscht. Der erste von drei Öffnungstagen brachte lange Schlangen und kontroverse Diskussionen.
Der Kunsthistoriker hat als einer der Erklärer oben im Treppenhaus keinen leichten Stand. Besucher bedrängen ihn mit Fragen wie dieser: „Warum ist das Treppenhaus voller Spanplatten?“ Der Mann verbessert freundlich, Treppen und Geländer seien aus Marmormörtel und Betonstein, und so werde es auch bleiben.
Dann zeigt der Fachmann auf rohe Ziegelwände: „Das bleibt unverputzt. Sie müssen sich daran gewöhnen“. Viele blicken ratlos, andere nicken begeistert. Der Mann bittet, auf das herrliche Licht zu achten, spricht von Radikal-Ästhetik, Raumkunst, von Kontrast-Dramaturgie.
Es ist Sonnabendmittag, der erste von drei Tagen der offenen Tür nach dem Wiederaufbau-Richtfest im Neuen Museum auf der Museumsinsel. Schon vor Öffnung um 10 Uhr stehen Besucher eine Stunde Schlange, um 13 Uhr müssen sie bereits zwei Stunden warten. Es wird in Schüben abgefertigt, über 600 Menschen pro Stunde dürfen aus Sicherheitsgründen nicht ins Haus. Bis 18 Uhr werden fast 11 000 Besucher gezählt.
Der Rundgang hat zwölf Stationen. Immer wieder fragen Leute nach Nofretete, die hier einziehen soll, wenn alles in zwei Jahren fertig ist. Viele sind enttäuscht, wenn sie oben in der nüchternen Treppenhalle die kleine Holzbox sehen, die den künftigen Standort markiert. Aber sonst wird viel gestaunt. „Aufregend schön“, sagen sie, aber auch „geschmacklos und fürchterlich“, wenn sie in die Eingangshalle oder auf die modernen Säulen im Ägyptischen Hof blicken. Ein Architekt ist von der Qualität der Bauarbeiten beeindruckt, ein Elektroniker meint, der Bau zeige, dass behutsam ergänzt und nicht immer alles originalgetreu restauriert werden müsse.
Im Niobensaal mit den alten Malereien an der Decke, Station 7, fühlen sich viele Besucher erstmals an ein Museum erinnert, auch im Römischen Saal und im Südkuppelsaal, wo eine unbekannte Göttin und der nackte Helios schon als die Vorboten des fertigen Museums stehen.
Am Ausgang liegen Gästebücher aus, die sich schnell füllen. Die Spuren des Krieges müssten jederzeit sichtbar bleiben, lobt ein Besucher. Eine „alte Berlinerin“ ist begeistert von der „durchdachten Rekonstruktion“. Hier entsteht was ganz Großes, meint jemand, oder schreibt enttäuscht „Schinkel, Stüler, ade“. Anderen ist der Wiederaufbau des kriegszerstörten Museums „zu wenig modern“ .
Während die Initiative „Rettet die Museumsinsel“ draußen gegen die „Ruinenromantik“ schimpft, versichert die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf der verteilten Rundgang-Information, dass sie mit der alten Bausubstanz behutsam umgeht. Den Namen des Erbauers Friedrich August Stüler lässt sie unerwähnt. Restauriert wird für 233 Millionen Euro nach Plänen David Chipperfields. Heute und Montag ist die Baustelle von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Christian van Lessen
Christian van Lessen
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