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Berlin: Neues Parlament übt harte Kritik am Bund

Lehmann-Brauns (CDU): „schäbige Distanzierung“. Walter Momper (SPD) wieder Parlamentspräsident

An harschen Worten sparte er nicht, der neue Alterspräsident des Abgeordnetenhauses. Die Reaktion mancher Bundespolitiker nach dem Karlsruher Urteil habe er als eine „unsolidarische, ja schäbige Distanzierung von ihrer Mitverantwortung“ für Berlin empfunden, sagte Uwe Lehmann-Brauns (CDU) bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments. Diese Stadt habe die Last der Teilung getragen, Wirtschaftsunternehmen hätten Berlin den Rücken gekehrt. Deshalb dürfe die Republik ihre Hauptstadt „nicht in dieser ökonomischen Schieflage“ belassen, in die sie am wenigsten durch Eigenverschulden geraten sei.

Lehmann-Brauns erinnerte die 148 Abgeordneten an die „abenteuerliche Geschichte“ Berlins: von der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg, an Walter Rathenau, Friedrich Ebert und Gustav Stresemann, die „demokratische Geschichte für die Nation“ geschrieben hatten. Der Alterspräsident vergaß auch nicht, die Schreckenstaten des die Stadt prägenden Nationalsozialismus zu erwähnen, den „Mord an den deutschen Juden, ihrer, unserer Kultur“.

Heute sei Berlin „die Hauptstadt ohne Mauer und Diktatur“, doch mit einem Schuldenberg, der auch durch diese bewegte Vergangenheit der einst geteilten Stadt gewachsen war. Lehmann-Brauns’ Kritik war laut und deutlich zu vernehmen – auch auf der Gästetribüne, auf der geladene Stadtälteste, Honoratioren, Ex-Senatoren, ehemalige Parlamentarier und Bundestagsabgeordnete – Petra Pau (PDS), Markus Löning (FDP) , Karl-Georg Wellmann (CDU), Peter Danckert (SPD) – zuhörten.

Lehmann-Brauns kritisierte, dass noch nicht alle Bundesministerien nach Berlin gezogen seien. Trotz alledem müsse der „Kampf um die Achtung Berlins“ als Hauptstadt der Deutschen fortgesetzt werden. „Jetzt erst recht, wir haben ganz andere Herausforderungen bestanden.“

Es war eine bewegende und nachdenkliche Rede, für die der CDU-Politiker viel Beifall und auch viel Lob vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erhielt: „Sie haben etwas ausgedrückt, was diese Stadt auch fühlt.“

Zur Tradition bei der konstituierenden Parlamentssitzung gehört es, dass die jüngsten vier Abgeordneten neben dem Stuhl des Alterspräsidenten Platz nehmen und alle Parlamentarier aufrufen. Auch wenn man es mit der Kleiderordnung im Preußischen Landtag nicht mehr so genau nimmt: Einige Besucher fanden es „unschön und respektlos“, dass Abgeordnete wie zum Beispiel der neu gewählte Grünen-Fraktionsvize Dirk Behrendt sehr salopp mit einem grünen T-Shirt erschienen.

Parlamentspräsident wurde erwartungsgemäß Walter Momper (SPD), der in geheimer Abstimmung mit 104 Ja-Stimmen, 31 Nein-Stimmen bei 14 Enthaltungen in seinem Amt bestätigt wurde. Zu Stellvertretern wurden Uwe Lehmann-Brauns und die SPD-Abgeordnete Karin Seidel-Kalmutzki gewählt.

In dem neuen Parlament stellen SPD und Linkspartei gemeinsam 76 Abgeordnete, die Opposition kommt auf 73 Sitze. Die Opposition kassierte gleich die erste Niederlage: SPD und PDS lehnten ab, den Vorsitz des Hauptausschusses einer Oppositionsfraktion zuzugestehen.

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