zum Hauptinhalt
Sollte Hertha seinen traditionellen Spielort verlassen, dürfte das Olympiastadion in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

© imago/Philipp Szyza

Neues Stadion für Hertha BSC: Die Hertha will ein neues Zuhause

Der Fußballklub plant ein Stadion. Im Gespräch: auch Ludwigsfelde. Ministerpräsident Woidke ist "fröhlich", der Fahrgastverband skeptisch. Ein Überblick zur Bau-Debatte.

Hinterm Stadtrand immer weiter: Hertha BSC prüft den Bau eines neuen Stadions – nur wo? Im Frühjahr 2017 will der größte Berliner Fußballklub (32 000 Mitglieder) eine Studie vorstellen, die seit Monaten intern erarbeitet worden ist. Der Inhalt? Geheim. Nur so viel sagte Präsident Werner Gegenbauer: "Der Auftrag an die Architekten ist nicht nur raus, es gibt erste Vorstudien." Man wolle "nicht in Konkurrenz" treten zum Wohnungsbau und Gewerbe-Neubauten. Ein Investor wird gesucht, auch in Asien. Das Stadion soll kleiner sein (etwa 55 000 Plätze) als das Olympiastadion, enger (ohne Laufbahn) und damit stimmungsvoller. Und: Ja, Hertha meint das alles ziemlich ernst.

DIE MÖGLICHEN STANDORTE

Verrät Hertha nicht. Hartnäckig halten sich drei Baufelder: Oranienburg (am Autobahnkreuz nahe Velten), Dreilinden (neben dem Avus-Zubringer am "Europarc" bei Ebay, wo es allerdings ganz schön eng ist) – und eine bisher unbekannte Fläche bei Ludwigsfelde, also kurz hinter der Stadtgrenze im boomenden Umland. Es gab zuletzt noch mehr Orte, über die diskutiert worden ist: die Industriebrache am ehemaligen Flugplatz Staaken (zwischen der verstopften Heerstraße und dem einstigen S- und Regionalbahnhof Staaken) bis hin zu Industriearealen wie am Flughafen Schönefeld im Südosten der Stadt, der ab 2018 nicht nur gut via S-, Regional- und Autobahn erreichbar sein soll, sondern auch aus der Luft. Wenige Chancen werden Hertha ausgerechnet, auf den Flughäfen Tempelhof oder Tegel zu bauen, auch wenn es viele Fans wegen der Lage bevorzugen – und ebenso viele wegen der attraktiven Lage ablehnen.

DIE MÖGLICHE ANBINDUNG

Der Knackpunkt, weil die meisten Fans heute eh mit Zügen zu Hertha fahren. Oranienburg wäre an Regionalbahn und S-Bahn angebunden. Im Süden von Berlin gibt es nur begrenzt Eisenbahnkapazitäten. Ludwigsfelde ist schnell und direkt von Berlin aus zu erreichen. Aber: Die Trasse der Anhalter Bahn muss bis auf weiteres einen Teil des Verkehrs zum BER aufnehmen, sie gilt als ausgelastet. Eine Anbindung des Stadions an den Außenring, zum Beispiel über den Bahnhof Ludwigsfelde-Struveshof , hätte eine direkte Anbindung nach Potsdam oder Schönefeld. Der "Europarc Dreilinden" kann via Stammbahn (Regionalbahn) angebunden werden; über den Wiederaufbau wird derzeit intensiv debattiert.

DIE SKEPSIS DER EXPERTEN

Skeptisch ist der Fahrgastverband IGEB. Der Nachteil der kolportierten Standorte sei, dass dort auf eine Regionalbahn gesetzt werde, die aber nicht leistungsfähig genug sei. So sei es nicht möglich, Sonderzüge im dichten Takt zu fahren, weil die meisten Fernbahn-Trassen schon jetzt stark belastet seien, sagt IGEB-Sprecher Jens Wieseke. Das dürfte den Standort Staaken ausschließen – der Bahnhof Spandau ist ein Nadelöhr und jetzt schon sehr störungsanfällig. "Die S-Bahn hingegen ist autark", sagte Wieseke. Ein neues Stadion müsste auf jeden Fall S-Bahn-Anschluss haben. "Man sieht ja, wie grauenvoll das Stadion an der Alten Försterei angebunden ist", sagt der Nahverkehrsfachmann. Das Stadion des 1. FC Union in der Köpenicker Wuhlheide ist direkt nur mit der Straßenbahn zu erreichen, der nächste S-Bahnhof liegt einen Kilometer entfernt – im Sommer mag der Spaziergang durch den Wald ganz schön sein, bei Matsch, Kälte und Dunkelheit ist es was für Liebhaber. Für den Fahrgastverband IGEB gibt es nur einen Standort, der so gut an den Nahverkehr angebunden ist wie das Olympiastadion: das Maifeld, die Wiese hinter dem Stadion nämlich – dort gilt aber Denkmalschutz. Wenn überhaupt, sei ein Standort an der Ringbahn denkbar für ein neues Stadion.

BRANDENBURG FREUT SICH SCHON

Nach Tagesspiegel-Informationen war Ministerpräsident Dietmar Woidke informell in Kontakt mit der Hertha-Spitze, auf dass ein neues Stadion möglichst in Brandenburg gebaut wird. Auf Anfrage, wie er die Sondierungen sehe, etwa erste mögliche konkrete Standorte in Brandenburg wie Oranienburg, Dreilinden oder Ludwigsfelde, sagte Woidke am Mittwoch: "Als Ministerpräsident freut es mich, dass sich die Hinweise verdichten, dass Hertha mit Brandenburg plant. Das scheint als Option immer wahrscheinlicher. Genaueres wissen wir allerdings noch nicht. Aber nach allem, was ich bisher gehört habe, bin schon ein bisschen fröhlich, weil Hertha ernsthaft auch mit Brandenburg rechnet.“ Wird Brandenburg Hertha den roten Teppich auslegen? „Brandenburg freut sich über jeden, der in Brandenburg investiert. Das gilt natürlich auch für Hertha BSC."

Schon im Frühjahr hatte Woidke gesagt: "Was wir bieten können, das wissen auch viele Berliner Firmen bereits, die sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren aus Berlin herausbewegt und vor den Toren der Hauptstadt investiert haben", sagte er. "Wir haben eine funktionierende Infrastruktur, eine wunderschöne Umgebung, motivierte Mitarbeiter und es gibt Hunderttausende Fans in Brandenburg." Auch international sei es ja mittlerweile üblich, dass Großstadien nicht mitten in der Stadt gebaut werden. Hertha selbst profiliert sich als berlin-brandenburgischer Verein, pflegt Kontakte in Umland Berlins, etwa nach Ludwigsfelde. Und das Havelland mit Falkensee, wo viele Berliner hingezogen sind, ist eine der Mitglieder-Hochburgen von Hertha.

BERLIN SAGT

Die Finanzverwaltung weist darauf hin, dass "erster Ansprechpartner" in dieser Frage der Innen- und Sportsenator sei. Also Frank Henkel (CDU), ab 8. Dezember dann Andreas Geisel (SPD). Henkel will die Debatte nicht kommentieren, Geisel sagte: "Es ist schade, wenn Hertha das Olympiastadion verlässt, weil dann die Wirtschaftlichkeit nicht mehr vorhanden ist." Hertha ist der Ankermieter des Stadions, das ohne verlässliche Einnahmequellen im 14-Tage-Takt in finanzielle Schwierigkeiten geraten wird. Außerdem, teilt die Finanzverwaltung mit, gebe es für 2025 noch keine Finanzplanung des Senats, die reiche momentan bis 2020. Finanzhilfen des Landes Berlin für einen Stadion-Neubau waren senatsintern bisher kein Thema. Auch der neue Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen befasst sich weder mit dem Olympiastadion noch mit Hertha BSC.

WOHER DAS GELD KOMMT

Hertha sucht einen Investor, schweigt aber sonst vehement, wie das Projekt gestemmt werden soll. Wie die Anbindung finanziert werden soll – unklar.

UND WAS SAGT LUDWIGSFELDE?

Viele Städte zeigen Interesse, auch Potsdam. Dort sagt der Stadtsprecher: "Wir könnten uns einige Flächen als Platz für das Stadion vorstellen – etwa den Friedrichspark in Marquardt." Weit oben auf der Standort-Liste soll Ludwigsfelde sein, wo Mercedes Benz, VW, Siemens oder MTU produzieren. "Es ist bekannt, dass derzeit mehrere Standorte rund um Berlin untersucht werden, möglicherweise ist auch Ludwigsfelde darunter", sagte der Bürgermeister von Ludwigsfelde, Andreas Igel (SPD). Aus seiner Sicht gebe es durchaus Argumente, die für Ludwigsfelde (25 000 Einwohner) sprächen – etwa die Nähe zu Berlin und die Regionalbahnanbindung (22 Minuten bis Berlin-Hauptbahnhof, drei mehr als vom Hauptbahnhof zum Olympiastadion). In Ludwigsfelde besteht Anschluss an den Berliner Autobahnring; über zwei starke Landstraßen ist die Stadt zudem mit Berlin-Marienfelde und Potsdam (Nutheschnellstraße) verbunden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false