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Prostituierte können den Anmeldenachweis gleich zweimal erhalten, einmal mit richtigem, einmal mit Alias-Namen - wie "Lady M".

© Sigrid Kneist

Neues Verfahren in Berlin: Erst 87 Prostituierte regulär angemeldet

Rund 8.000 Prostituierte gibt es schätzungsweise in der Hauptstadt, die meisten von ihnen sind noch nicht gesetzeskonform registriert. In Schöneberg gibt es nun endlich eine zentrale Anlaufstelle.

Gut ein Jahr nach Inkrafttreten des bundesweiten Prostituiertenschutzgesetzes können sich Sexarbeiter seit Juli auch in Berlin so anmelden, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist. Im Rathaus Schöneberg wurden jetzt in einem Seitenflügel die Räume bezogen. Das Verfahren ist zweigeteilt: Zunächst müssen Prostituiert sich einer Gesundheitsberatung unterziehen, erst anschließend gibt es eine allgemeine Beratung, nach der die Anmeldebestätigung ausgestellt wird.

Diese beiden Bereiche müssen laut Gesetz organisatorisch getrennt sein. Für die Gesundheitsberatung, die dem Gesundheitsamt zugeordnet ist, sind bislang fünf Sozialpädagoginnen und zwei medizinische Fachkräfte eingestellt worden. Das Personal soll langfristig um vier weitere Sozialpädagoginnen und eine weitere medizinisch ausgebildete Kraft aufgestockt werden. Bei der allgemeinen Beratung sind derzeit drei Stellen besetzt, fünf weitere Mitarbeiter werden dazukommen. Im vergangenen Jahr war lange Zeit zwischen Bezirken und Senat unklar, wie das Gesetz in Berlin umgesetzt werden sollte.

Erst im Dezember kam es zu der Lösung, dass Tempelhof-Schöneberg die Anmeldung der Prostituierten zentral für Berlin übernimmt. Laut Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) wollten die anderen Bezirke diese Aufgabe nicht wahrnehmen; Tempelhof-Schöneberg habe zugesagt – unter der Voraussetzung, die Stellen und Räume finanziert zu bekommen. Der jetzige Standort ist kein endgültiger; gesucht werden Büros, die zentraler und näher an den von Prostitution betroffenen Gebieten liegen; beispielsweise in der Gegend um den Straßenstrich an der Kurfürstenstraße, deren nördliche Seite zum Bezirk Mitte gehört.

Zuvor gab es nur vorläufige Bescheinigungen

Solange Beratung und Anmeldung nicht richtig arbeitsfähig waren, konnten Sexarbeiterinnen und -arbeiter sich lediglich den Versuch der Anmeldung vorläufig bescheinigen lassen. Rund 1500 Prostituierte haben dies in den Ordnungsämtern der Bezirke getan, 545 in der im Aufbau befindlichen Anmeldestelle von Tempelhof-Schöneberg. Von diesen 545 Personen sind 520 weiblich, neun männlich, 16 transgender. Schätzungen zufolge arbeiten in Berlin rund 8.000 Prostituierte. Die vorläufige Bescheinigung wird Ende November ungültig; bis dahin muss man sich regulär anmelden.

Seit Juli wurden 87 reguläre Bescheinigungen ausgestellt. Diese müssen regelmäßig erneuert werden. Um ihre Anonymität zu wahren, können Prostituierte zwei Bescheinigungen erhalten – einmal mit ihrem richtigen Namen, einmal mit einer Alias-Identität. Dazu gibt es einen Nachweis über die Gesundheitsberatung. Die Bescheinigungen müssen regelmäßig erneuert werden. Geschieht dies nicht, werden die Daten drei Monate nach Ablauf der Gültigkeit gelöscht. Noch nicht genau geklärt ist, wie Kontrollen in Bordellen oder auf dem Straßenstrich organisiert werden. Denn da sind Absprachen zwischen den jeweiligen Ordnungsämtern und der Polizei notwendig. Laut Jan Grunow, der die allgemeine Beratung leitet, haben über die Hälfte der schon erschienenen Prostituierten die deutsche Staatsangehörigkeit.

Bei Bedarf mit Dolmetscher

Bei den ausländischen überwiegen Prostituierte mit bulgarischer, rumänischer oder thailändischer Nationalität. Bei den Beratungsgesprächen, die sehr individuell ablaufen und in denen es um die Umstände der Arbeit wie auch im Privaten gehen kann, werden bei Bedarf Dolmetscher hinzugezogen. Bislang habe es noch keinen Fall gegeben, in dem beispielsweise eine konkrete Bedrohungs- oder Gefährdungssituation erkennbar gewesen wäre, sagt Grunow. In der Gesundheitsberatung findet zwar keine medizinische Untersuchung statt. Aber die Prostituierten würden unter anderem darüber informiert, dass das neue Gesetz jetzt auch eine Kondompflicht beinhaltet, sagt die Leiterin der Abteilung, Signe Hackethal. Außerdem werde über sexuell übertragbare und andere Infektionskrankheiten aufgeklärt und wie man sich davor schützen kann.

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