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Beim Charisma weit vorn. An Klaus Wowereit reicht Friedbert Pflüger nicht heran, wusste die US-Botschaft laut Wikileaks zu berichten.

© dapd

Neues von Wikileaks: US-Depeschen über Wowereit, Pflüger, Zöllner und die NPD

Nach dem Vorbericht zur Abgeordnetenhauswahl 2006 hat die Enthüllungsplattform Wikileaks nun weitere US-Depeschen über die Berliner Landespolitik online gestellt.

Von Markus Hesselmann

Normalerweise beschäftigen sich Botschafter in Berichten an ihre Regierungen mit der großen Politik. Doch manchmal interessiert sie auch das, was direkt vor ihrer Tür geschieht. Die Abgeordnetenhauswahl in Berlin war der US-Botschaft gleich mehrere Depeschen wert. Und sogar die Berliner Bezirksverordnetenversammlungen erwähnen die Amerikaner - wenn es um den Einzug der rechtsextremen NPD geht. Dank der Enthüllungsplattform Wikileaks können alle Internetnutzer an den Einschätzungen der Weltmacht teilhaben. Nachdem im vergangenen November bereits ein Vorbericht zur letzten Berlin-Wahl veröffentlicht wurde, geht es in weiteren nun online gestellten Berichten um den Sieg der SPD um den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und die geplante Senatsbildung.

Breiten Raum nimmt die Niederlage der CDU ein. "Die konservativen Christdemokraten, angeführt von Verteidigungsstaatssekretär Friedbert Pflüger, haben schwach abgeschnitten", heißt es in dem vom damaligen Botschafter William Timken gezeichneten Bericht. Mit 21,2 Prozent sei das Ergebnis noch etwas schwächer als 2001. Die Wahl sei aber keine Abstimmung über die Bundesregierung oder über Kanzlerin Angela Merkel. Lokale Faktoren, insbesondere die Schwäche der Berliner CDU und "der Mangel persönlicher Anziehungskraft des Bürgermeisterkandidaten" hätten den Ausschlag gegeben.

Damit bekommt Friedbert Pflüger noch einmal sein Fett weg. Pflüger "reiche an Wowereit bei Charisma und Wahlkampfkraft nicht heran", hatte die US-Botschaft bereits vor der Wahl geschrieben. Der CDU-Politiker selbst, ein ausgewiesener Amerika-Freund, trug die durch Wikileaks öffentlich gemachten Einschätzungen seiner Person mit Fassung. Die Meinung der Amerikaner über die Lage seiner Partei sei richtig, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er selbst habe damals "den Sprung ins kalte Wasser gewagt".

Zöllner überrascht, Sarrazin freut sich

Wowereit habe zwar mit "den Grünen geflirtet", doch sich dann wieder für die PDS entschieden, heißt es nun in der Einschätzung zur Senatsbildung. Damit ging eine fast schon als Wunsch formulierte Prognose der Amerikaner nicht in Erfüllung: Rot-Grün sei "besser für die Stadt und für Wowereit" hatte die Botschaft vor der Berlin-Wahl nach Washington geschrieben. Die Grünen seien auf nationaler Ebene "präsentabler" als die - in anderen Depeschen aus der US-Botschaft als "neo communists" bezeichnete - Linkspartei und daher eigentlich ein näher liegender Koalitionspartner für die Berliner SPD, hatte es vor der Wahl geheißen. Allerdings sei das Koalieren mit den zerstrittenen Grünen sicher schwieriger als mit der Linkspartei, hieß es damals weiter.

Dass sich Wowereit selbst zum Kultursenator machte, erklären die Amerikaner mit einer "persönlichen Präferenz" des Regierenden für dieses Thema. Als "überraschend" schätzt die Botschaft in Berlin die Verpflichtung "eines Bildungssenators aus dem Westen" ein. Jürgen Zöllner, bis dahin Minister in Rheinland-Pfalz, stehe nun für die Umstrukturierung des Berliner Schulsystems, eine Priorität des neuen Senats.

Was die Amerikaner über Thilo Sarrazin sagen, und wie sie die Entwicklung der NPD bewerten, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Auch Thilo Sarrazin erwähnen die Amerikaner: Noch nicht als Bestseller-Autor, sondern als Berliner Finanzsenator. Als solcher freue er sich über "eine unerwartete Erhöhung der Steuereinnahmen". Dennoch könne sich die Verschuldung der Stadt als sehr problematisch für den neuen Senat erweisen.

Rechtsextremismus bleibt ernstes Problem

Besonders in den Blick nehmen die Amerikaner die rechtsextreme NPD. Diese habe "etwas besser abgeschnitten als erwartet". In vier Bezirksverordnetenversammlungen sei die NPD nun präsent - "darunter eine im Westen" (Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick, Lichtenberg).

Deutscher Rechtsextremismus ist ohnehin ein wichtiges Thema in Botschafts-Berichten aus Berlin. In einer ebenfalls jetzt veröffentlichten Depesche aus dem September 2007 schreibt Botschafter Timken über die Eröffnung Berliner Synagogen und die sich fortsetzende "Renaissance jüdischen Lebens" in Berlin. Die Eröffnung der Synagogen geschehe in Zeiten, in denen Deutschland immer multikultureller werde, aber immer noch von Antisemitismus geplagt sei. "Rechtsextremismus bleibt ein ernstes Problem in Deutschland." Das hätte die Messerattacke auf einen Rabbiner in Frankfurt am Main sowie rechtsextreme oder fremdenfeindliche Übergriffe in Halberstadt und Mügeln gezeigt, über die in Deutschland ausführlich berichtet worden sei.

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