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Berlin: Neukölln: Aufruhr hinterm Gartenzaun

Die Uhr an der Britzer Fritz-Karsen-Schule in Britz zeigt noch die Winterzeit an, doch in der Aula ging es dieser Tage alles andere als frostig zu. Rund 200 erhitzte Gemüter trafen bei der Mitgliederversammlung der Hufeisensiedlung aufeinander.

Die Uhr an der Britzer Fritz-Karsen-Schule in Britz zeigt noch die Winterzeit an, doch in der Aula ging es dieser Tage alles andere als frostig zu. Rund 200 erhitzte Gemüter trafen bei der Mitgliederversammlung der Hufeisensiedlung aufeinander. Wie berichtet, herrscht in dem Viertel Unruhe, weil die Häuser, die zur Wohnungsgesellschaft Gehag gehören, zum Verkauf stehen.

Viele der Bewohner befreiten sich nicht nur verbal, sondern auch plakativ von ihrer Wut und hatten gelbe Schilder in den Vorgärten aufgestellt: "Liebe Gehag, wir wollen wirklich nicht einzeln kaufen - wir wollen die Genossenschaft!" Deren Größe ist seit ihrer Gründung im Mai vergangenen Jahres auf fast 900 Mitglieder angewachsen. Unverändert ist jedoch ihr Ziel, den Bestand von 3500 Wohnungen in der Siedlung möglichst komplett zu erwerben, um den sozialen Zusammenhalt der Mieter bewahren, den Denkmalschutz gewährleisten und sichere Mieten garantieren zu können.

Doch seit die Gehag im November 2000 vom Land Berlin, das nur noch einen Anteil von 25 Prozent nebst einer Aktie an ihr hält, an die Hamburger WCM veräußert wurde, sind die Gespräche ins Stocken geraten. Die letzte von der Gehag überbrachte Offerte sei, so hieß es auf der Versammlung, kein Angebot, sondern eine Unverschämtheit gewesen. Die vorgeschlagenen Alternativen stellten sich der Mietervereinigung wie eine Auswahl zwischen Pest und Cholera dar: entweder die Wohnungen für eine Summe pachten, die so hoch wie die Mieteinnahmen wäre, oder 650 zu einem Preis kaufen, der ohne eine Mietensteigerung weit über die gesetzlich zulässige Obergrenze hinaus nicht refinanzierbar gewesen wäre.

Deutliche Worte für das Verhalten der WCM fand auch Michael Arndt, wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD. Er forderte das Unternehmen in seinem Statement auf, den eingeschlagenen Kurs zu verlassen, und sicherte dem Anliegen der rührigen, mitgliederstarken Wohnungsgenossenschaft seine Prioriät zu. Auf Unterstützung völlig anderer aber nicht minder wichtigerer Art kann sie hingegen seitens des Neuköllner Rathauses setzen. Ein Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde versprach: "Die Zerstörung des einheitlichen Bildes findet in der Hufeisensiedlung nicht statt." Ungeachtet dessen lässt sich jedoch bereits erkennen, wie schwer dieses Wort einzuhalten ist. Der Einzelverkauf von Wohnungen hat begonnen, und mit ihm startete nicht nur der Zuzug neuer Nachbarn, sondern auch der baulicher Veränderungen an der als Gesamtanlage unter Denkmalschutz stehenden Siedlung: sei es, dass Kunststofffenster eingebaut, Gitter an den Fassaden installiert oder Vorgärten komplett versiegelt wurden.

Entsprechend vehement erinnerte der Aufsichtsrat der Wohnungsgenossenschaft nochmals an den von der Bundesregierung angestrebten Eintrag ins Weltkulturerbe der UNESCO, der nun ernsthaft gefährdet sei. "Bruno Taut", so erinnerte ein Mieter an den Architekten der der Siedlung, "würde sich im Grabe umdrehen, wenn er erfahren würde, was hier passiert. Die Genossenschaft muss auch in seinem Sinne zum Erfolg gebracht werden."

Ensa Maurer

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