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Berlin: Neukölln und die Moschee: Keiner weiß von nichts

Im Reuterkiez ist das Millionenprojekt der Moslems kein Thema. Der Integrationsbeauftragte Piening will die Diskussion anfachen. Er sieht eine Chance für den Bezirk

Anja Maschke legt die Schere aus der Hand. „Die Moschee? Die ist bei unserer Kundschaft kein Thema“ , sagt die Inhaberin des Friseurladens Bärenschnitt. Nur wenige Gehminuten von dem Geschäft an der Neuköllner Lenaustraße entfernt will der Verein „Inssan“ ein moslemisches Zentrum inklusive Café, Wohnungen, Seminarräumen, Schwimmbad und Moschee errichten. Der neue Integrationsbeauftragte Günter Piening ging gestern mit Quartiersmanagern auf Vorstellungstour zu den Ausländervereinen im Reuterkiez und erfuhr: Im Kiez scheinen viele noch gar nichts von dem Millionen-Projekt zu wissen.

„Inssan“ hat bereits Teile das Grundstück an der Pflügerstraße 35/36 gekauft, Termine mit möglichen Geldgebern sowie den Behörden vereinbart – und sogar die Ex-Ausländerbeauftragte Barbara John als Mitglied im Vereinsbeirat gewinnen können. „Es wurde schon mal was über die Moschee gemunkelt. Aber viele ältere Neuköllner, die es sich leisten können, ziehen ohnehin weg. Und die jungen Leute, die nachkommen, sind meist tolerant“, sagt die Friseurmeisterin am Rande des offiziellen Kiezbummels. Auch den irakischen Kulturverein Al Rafedain an der Sanderstraße beschäftigt etwas anderes: der Wasserschaden im eigenen Büro. „Der Moscheebau ist bei uns noch nicht diskutiert worden“, antwortet ein Vereinsmitglied auf die Nachfrage des Integrationsbeauftragten. Weniger Gleichgültigkeit herrscht beim Arabischen Kulturinstitut Aki: „Die Moschee könnte eine beruhigende Rolle auf den Problemkiez haben“, meint Geschäftsführer Nazar Mahmood. „Wer in die Moschee geht, trinkt keinen Alkohol und weiß, was Nächstenliebe ist“, sagt er lächelnd. Mögliche Ängste vor Verkehrslärm verstehe er – nicht aber vor zunehmendem Fundamentalismus.

Piening will die Diskussion in der Öffentlichkeit nun vorantreiben. Er unterstütze, „dass Moslems rausgehen aus den Hinterhöfen“. Der Bau des als liberal geltenden Vereins junger Moslems aller Strömungen könne „eine Chance sein für den Bezirk“. Erna Schultze ist da pessimistischer. Die 76-Jährige wohnt seit 24 Jahren im Reuterkiez, wurde dreimal überfallen. „Wenn ich könnte, wäre ich weg.“ Sie und die Nachbarn stört indes vor allem eines: „Der viele Müll.“

Annette Kögel

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