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Berlin: Neukölln/Wedding: Wütende Mieter redeten Tacheles mit dem Senator

Die Konfrontation mit der Basis überraschte den Senator auf dem SPD-Sommerfest in Wedding: "Viele von uns sind alte Sozialdemokraten, haben Berlin mit aufgebaut, da lagen sie noch in den Windeln, Herr Strieder. Und jetzt lassen sie es zu, dass wir durch Mieterhöhungen aus unseren Wohnungen vertrieben werden", sagte einer der eigens aus Britz angereisten Gehag-Mieter dem schnieken Parteifürsten ins Gesicht.

Die Konfrontation mit der Basis überraschte den Senator auf dem SPD-Sommerfest in Wedding: "Viele von uns sind alte Sozialdemokraten, haben Berlin mit aufgebaut, da lagen sie noch in den Windeln, Herr Strieder. Und jetzt lassen sie es zu, dass wir durch Mieterhöhungen aus unseren Wohnungen vertrieben werden", sagte einer der eigens aus Britz angereisten Gehag-Mieter dem schnieken Parteifürsten ins Gesicht. Erst hatten sie sich Mut zugesprochen, die rund 350 aufgebrachten Bewohner der Britzer Hufeisensiedlung bei der Mieterversammlung in der Fritz-Karsen-Schule. Dann waren sie per Bus nach Wedding gefahren, um Tacheles zu reden. Denn der Senator für Stadtentwicklung war trotz Einladung nicht erschienen. Ihm war, wie er gestand, das Sommerfest wichtiger.

Vordergründiger Anlass der Konfrontation waren bis zu 30-prozentige Mieterhöhungen zum September, die die Bewohner gerade von der einst landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft erhalten hatten. Alteingesessene fühlen sich durch Hinweise auf das Sonderkündigungsrecht in dem Schreiben verunsichert. Auf der Versammlung zuvor berichteten einzelne Mieter sogar von Hinweisen, dass Wohnungen bereits auf dem Markt angeboten würden. Mitarbeiter mehrerer Banken hätten telefonisch Unterstützung beim Kauf der bisher gemieteten Wohnung angeboten.

Zunächst, so wurde schließlich beschlossen, soll in den Einzelfällen geklärt werden, ob die Mieterhöhung überhaupt rechtmäßig ist. Denn noch sind zwar 30 Prozent Erhöhung innerhalb von drei Jahren gesetzlich möglich, wie der Mieterverein erklärte. Doch ob sie tatsächlich durchsetzbar sind, müsse jeweils erst unter Berücksichtigung des Mietspiegels geprüft werden.

Doch all dies ist für die Bewohner der Hufeisensiedlung nur das letzte Glied in einer Kette von Enttäuschungen, seit die Gehag Ende 1998 privatisiert wurde. Denn eigentlich wollten sie Häuser und Wohnungen der in den 20er Jahren von den Architekten Bruno Taut und Matin Wagner geplanten Siedlung als Genossenschaft übernehmen, erklärt Uwe Stüber, Gründungsmitglied der Initiative. Eine Übernahme, die auch unter der Ägide des Stadtentwicklungssenators Strieder geplant war: Zuletzt im Herbst 2000 wollte die Genossenschaft die ersten 1200 von insgesamt rund 3500 Wohnungen für rund 80 Millionen Mark erwerben. Doch der Deal platzte. Im Gefolge der Privatisierung habe sich da nun mal ein Sinneswandel ergeben, sagt Gehag-Sprecher Henryk Tabaczynski. Man müsse nun wirtschaftlich denken. Seit dem ruhen die Verkaufsgespräche mit der Genossenschaft. Der überraschte Stadtentwicklungssenator musste nun versprechen, seinen Einfluss im Aufsichtsrat der Gehag erneut geltend zu machen. Noch hält das Land 25 Prozent der Anteile. Doch viel Einfluss, so sagte Strieder mit einem Achselzucken, habe man damit nicht.

Ole Töns

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