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Steht in der Kritik: Dirk Behrendt (Grüne) hat sich positiv zum Kopftuchurteil geäußert.

© Maurizio Gambarini/dpa

Update

Neutralitätsgebot an Berliner Schulen: Kommentar zum Kopftuchurteil: Justizsenator erntet Kritik

"Plump und Populistisch": Dirk Behrendt hat sich hinter das Kopftuch-Urteil gestellt, das das Landesarbeitsgericht gesprochen hat – und wird dafür kritisiert.

Dürfen Lehrerinnen an Berliner Schulen Kopftuch tragen oder nicht? Die Debatte über diese Frage beschäftigt Politik und Gerichte in Berlin schon seit Jahren. Nun nahm Seyran Ates, die als Rechtsanwältin in der Sache die Senatsverwaltung für Bildung vertritt, ein neuerliches Urteil des Landesarbeitsgerichtes zum 2005 verabschiedeten Berliner Neutralitätsgesetz zum Anlass, Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zu attackieren. Dieser solle „seine Funktion und Rolle als Senator für Justiz der Stadt Berlin überdenken“, schrieb die Rechtsanwältin in einem auf Facebook veröffentlichten Statement. „Plump und populistisch“ habe Behrendt den Urteilsspruch vom Vortag kommentiert. Als Jurist sollte er solch eine Entscheidung sauberer kommentieren, schrieb Ates.

Was war passiert? Zunächst hatte das Landesarbeitsgericht der Stadt ein Urteil der Vorinstanz zur Entschädigung einer nicht zum Schuldienst zugelassenen Lehreranwärterin – einmal mehr – kassiert. Die Informatikerin hatte sich geweigert, im Klassenraum auf ihr Kopftuch zu verzichten und war deshalb nicht in den Schuldienst übernommen worden.

Eine Klage auf Entschädigung hatte das Arbeitsgericht zunächst abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht gab der Frau nun recht. Ihr stehe eine Entschädigung in Höhe von anderthalb Monatsgehältern zu, entschieden die Richter. Das sind 5159,88 Euro. Verlangt hatte die Klägerin drei Gehälter.

"Die Entscheidung war so zu erwarten"

Die abermalige Korrektur eines erstinstanzlichen Urteils durch das Landesarbeitsgericht – zuletzt hatte das Gericht im Februar 2017 ein Berufungsverfahren zugunsten der Klägerin entschieden – brachte Behrendt dazu, die Entscheidung noch am Dienstag öffentlich zu kommentieren. „Der Konflikt um das Neutralitätsgesetz sollte nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen werden. Die Entscheidung war so zu erwarten“, hatte Behrendt über den Facebook-Kanal seiner Behörde verbreiten lassen.

Und hinzugefügt: „Wenn es der Wahrheitsfindung dient, soll die Bildungsverwaltung in Revision gehen. Das Landesarbeitsgericht folgt hier der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.“ Am Tag darauf, konfrontiert mit den Anwürfen von Ates gegen seine Person, legte Behrendt nach. „Ich bin irritiert, dass eine vom Land Berlin beauftrage Rechtsanwältin sich derartig äußert.“ Juristisch zu diskutieren und sich darüber auseinanderzusetzen sei legitim, sagte Behrendt. „Die Form verlässt ja den Bereich des Juristischen deutlich“, sagte er und begrüßte den von Ates geäußerten Vorstoß, über eine Revision gegen das Urteil vom Dienstag den Weg vor das Bundesarbeitsgericht zu beschreiten.

SPD hält Revision für möglich

Genau das hatte Ates unmittelbar nach dem Urteilsspruch am Dienstag angekündigt, wurde jedoch von Bildungssenatorin Sandra Scheeres tags darauf ausgebremst. „Nach Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung behalten wir uns vor in Revision zu gehen“, hatte die SPD-Politikerin erklärt. „Für den Schulfrieden ist es wichtig, dass die staatliche Neutralität gegeben ist.“ Anders als 2017, als die Bildungsverwaltung die Revisionsfrist hatte verstreichen lassen, scheint der Gang vor die nächsthöhere Instanz also mindestens im Bereich des Möglichen. Eine Ankündigung, die auch Dirk Behrendt aufhorchen lassen sollte.

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Cornelia Seibeld wiederum, integrationspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, hatte da längst auf den „Pikanten Streit um das Kopftuchurteil“ reagiert. „Wann war es schon mal erforderlich, dass eine Juristin im Auftrag des Senats einen Justizsenator öffentlich maßregelt?“, fragte Seibeld per Pressemitteilung und lieferte den Schluss gleich dazu: „Sie setzt damit die Botschaft: Behrendt hat keine Ahnung, er ist eine Fehlbesetzung.“

Inhaltlich stellte sich Seibeld auf die Seite von Seyran Ates. „Sie hat völlig Recht, wenn sie Behrendt wegen dessen Kommentierung des aktuellen Kopftuch-Urteils in den sozialen Medien kritisiert“, so Seibeld, die ausdrücklich begrüßte, dass Ates und Senatsbildungsverwaltung eine mögliche Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zumindest prüfen. Selbiges hatte bereits am Dienstag Paul Fresdorf, bildungs- und integrationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, gefordert.

Für die Linke äußerte sich Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion, zum Thema. Das Urteil des Landesarbeitsgerichtes bezeichnete er als „erwartbar“ und kritisierte das „Ping-Pong-Spiel“ zwischen den Gerichten, das auf dem Rücken der angehenden Lehrerinnen ausgetragen werde. Schlüsselburg begrüßte die Ankündigung von Ates, gegen das Urteil in Revision zu gehen. „Ich hoffe, dass der Streit dann endgültig geklärt wird“, so Schlüsselburg.

Anm. d. Red.: Mittlerweile hat Seyran Ates ihren Facebook-Post kommentarlos gelöscht.

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