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Neuvermietung der Liebig 14: Trauerzeiten

Keine zwei Monate ist die Liebigstraße 14 geräumt, da sucht der neue Besitzer bereits neue Mieter. Dabei hätte er doch wenigstens die Trauerzeiten einhalten können.

Nein, eine festgeschriebene Trauerzeit hat es in Deutschland nie gegeben, aber es gab – gerade im ländlichen Raum – bestimmte Konventionen. Die verlangten der Witwe eines Verstorbenen ab, bis zu ein Jahr lang schwarze Kleidung zu tragen, exzessives Feiern war während dieser Zeit ebenso tabu wie – sowieso – ein neuer Lebenspartner.

Nun kann man vom Besitzer eines frisch geräumten Hauses nicht erwarten, dass er sich in Anbetracht der für ihn erfreulichen Umstände verhält wie eine verwitwete Bauersfrau im Hessischen. Aber gar so schnell hätte das alles nicht gehen müssen: Gerade 54 Tage nach der Räumung der Liebigstraße 14 wird eifrig an der Neuvermietung an solvente Kundschaft gearbeitet – Pietät sieht anders aus. Um nicht zu sagen: Das ist ja grad so, als würde der Zoo in nur sechs Wochen ein neues Eisbärenbaby ...

Vielleicht aber könnten zumindest die Ex-Bewohner in Anlehnung an hergebrachte Bräuche friedlichen Protest üben. Eine Trauerwache vor dem Haus, während potenzielle Interessenten ihre Traumwohnung im Szenekiez besichtigen, das wäre doch was. Schwarze Kleidung dürfte ja vorhanden sein.

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