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Berlin: Neuwahlen: Bezirke: Die CDU bangt um ihre Burgen

Wenn Berlin wählt, dann nicht nur das Abgeordnetenhaus, sondern auch die Bezirksverordnetenversammlungen. Das ist Verfassungsgebot im Stadtstaat Berlin seit 1950.

Wenn Berlin wählt, dann nicht nur das Abgeordnetenhaus, sondern auch die Bezirksverordnetenversammlungen. Das ist Verfassungsgebot im Stadtstaat Berlin seit 1950. Auch in Ost-Berlin wurden die Stadtverordnetenversammlung und die Bezirksversammlungen an einem Tag bestellt. Ginge es nach der CDU, würden die Bezirke jetzt von Neuwahlen verschont und die 1999 gewählten BVVen weitere fünf Jahre bis 2006 weiter amtieren. Doch dafür gibt es keine verfassungsändernde Zweidrittel-Mehrheit. Und es wäre gegen die Verfassungslogik.

Den einheitlichen Wahltermin und die einheitliche Wahlperiode schreibt die Berliner Verfassung aus gutem Grund vor. Berlin ist kein Flächenland mit selbstständigen Gemeinden. Berlin ist ein Stadtstaat und kein Städtebündnis. Die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) sind auch keine Parlamente, sondern Teile der Bezirksverwaltungen. An der zweistufigen Verwaltung ändern auch Aufgabenverlagerungen von der Hauptverwaltung (Senatsebene) auf die untere Ebene der Bezirke im Zuge der Verwaltungsreform nichts.

Zum Thema Online Spezial: Berlin vor der Wahl Kompliziert ist das Beziehungsgeflecht allerdings schon seit 1920. Damals wurden durch preußisches Gesetz zur Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin die Städte Charlottenburg, Wilmersdorf, Schöneberg, Spandau, Köpenick, Lichtenberg und Neukölln, sowie 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke eingemeindet. Das fiel ihnen sehr schwer. Sie durften sich über den Verlust ihrer Selbstständigkeit mit bezirklichen Selbstverwaltungskompetenzen hinweg trösten. Die Untergliederung in Bezirke hatte zudem ihren Sinn, denn Berlin war mit einem Schlag eine Kommune mit 3,8 Millionen Einwohnern.

Auch die Bezirksreform - aus 23 Bezirken wurden zwölf - erforderte Kompromisse. Diese Reform trat stufenweise seit der Wahl vom 10. Oktober 1999 in Kraft. Bis dahin hatten 23 Verordnetenvesammlungen je 45 Mitglieder, nach der Wahl im Herbst werden es in zwölf BVVen je 55 sein. Nur für die "Übergangswahlperiode" seit 1999, die turnusmäßig bis 2004 dauern sollte, wurden je nach Bevölkerungszahl unterschiedlich viele BVV-Mandate vergeben - zwischen 89 und 55. Es sind 89 in Mitte (mit Tiergarten und Wedding) sowie in Pankow (mit Prenzlauer Berg und Weißensee). 55 sind es in Neukölln, Reinickendorf, Spandau und Steglitz-Zehlendorf. Die anderen haben 69, also Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuberg, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg (mit Hohenschönhausen) und Treptow-Köpenick. Erst zum 1. Januar 2001 wurden die neuen zwölf Bezirksämter bestellt. Sie bestehen aus dem Bezirksbürgermeister und fünf Stadträten.

Gewiss ist nach so gravierenden Veränderungen noch nicht alles Neue perfekt eingespielt. Und Neuwahlen bringen Unruhe. Doch letztlich stecken hinter diesen Argumenten schlicht Machtfragen. Wo 14 oder gar 34 BVV-Plätze weniger zu verteilen sind, gibt es viel größeres Gerangel als bisher. Das gilt für die Nominierung der Kandidaten in allen Parteien. Viele müssen mit ihrem Zwangsabschied rechnen. Am lautesten klagt die CDU, und auch das hat Machtgründe. Sie muss jetzt sehr einsam kämpfen, der PDS-gestützte rot-grüne Minderheitssenat will schnelle Neuwahlen.

Die Stadträte werden zwar nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestellt, aber den Bezirksbürgermeister muss nicht die stärkste Fraktion stellen. Für seine Wahl können BVV-Fraktionen auch Zählgemeinschaften bilden. Es sei denn, er hat die absolute Mehrheit. Diese Regelung war einmal zur Verhinderung von PDS-Bürgermeistern gedacht. Mitte-Bürgermeister Joachim Zeller (CDU) verdankte seine Wahl 1999 einem schwarz-grünen Zählbündnis von 35 CDU- und 13 Grünen-Mandaten bei 89 Verordneten. Auf Zählbündnisse kann aber die CDU vorläufig nicht mehr hoffen. Kurzum, sie bangt um ihre Bezirksburgen. Die anderen setzen auf Zugewinngemeinschaften.

Noch stellt die CDU sieben Bezirksbürgermeister, die PDS drei, die SPD zwei. Das führte die Christdemokraten in die Versuchung, die Bezirke von Neuwahlen abzukoppeln und dafür sogar die Verfassung zu malträtieren. Denn eine Ausnahme gab es: Bei der Einheitswahl am 2. Dezember 1990 wurde nur das Abgeordnetenhaus gewählt, die Wahl zu den 23 BVVen (zwölf West, elf Ost) fand erst am 24. Mai 1992 statt, dafür aber für eine verkürzte Wahlperiode bis zur Wahl 1995. Keine Überforderung der Ost-Wähler, hieß es damals; sie hatten erst im Frühjahr 1990 freie Wahlen, auch zu den BVVen. So kam die Ausnahmeregelung in die Verfassung von 1950. Doch die damalige Situation ist mit der heutigen nicht vergleichbar.

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