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Berlin: Nicht den Helden spielen

Ein Streit unter Jugendlichen endete tödlich. Tipps der Polizei, wie man sich im Konfliktfall verhält

Ein 18-Jähriger musste nach einem Streit in einem BVG-Bus sterben – dabei hatte er nur versucht, seine Freundin vor den Pöbeleien einer Gruppe Jugendlicher zu schützen. Beim Aussteigen rammte ihm ein Gleichaltriger aus der Gruppe ein Messer in die Brust. Die Tatwaffe wurde gestern in Rudow gefunden. Der Fall und seine Umstände beschäftigen nicht nur die Polizei – auch in der Öffentlichkeit wird diskutiert: Jeder kann leicht in eine solche Konfliktsituation geraten. Doch wie verhält man sich, damit sie nicht eskaliert, gar tödlich endet?

„Ein Patentrezept gibt es nicht“, sagt Jutta von Döllen von der „Zentralstelle für Prävention“ beim Landeskriminalamt. Die Schwierigkeit liege in der Gratwanderung zwischen Zivilcourage und Eigenschutz. Und jede Situation sei anders. Eines rät die Polizei grundsätzlich: Sobald klar ist, dass der Täter eine Waffe hat, „sollte niemand versuchen, den Helden zu spielen und sich mit dem Täter anlegen“. In einer solchen Situation gelte es, sich möglichst schnell zu entfernen und die Polizei zu rufen. Wenn ein bewaffneter Räuber vor einem stehe, „sollte man nicht an das Geld oder die Wertgegenstände denken, denn die sind ersetzbar“, sagt von Döllen. Sie erinnert an die 46-jährige Rossmann-Verkäuferin aus Buch, die vor knapp drei Wochen bei einem Raubüberfall erstochen worden war: Sie hatte offenbar versucht, ihre Tageseinnahmen zu verteidigen – es kam zum Gerangel, der Täter stach zu.

Aber auch Situationen, in denen keine Waffen im Spiel sind, können „äußerst gefährlich sein“, warnt die Beamtin. Wird jemand in der Öffentlichkeit, etwa im Bus oder in der U-Bahn angepöbelt, sei es hilfreich, „laut Kontakt zu anderen Mitfahrenden aufzunehmen“. Das rät auch Christian Zorn, Jugendbeauftragter der Polizeidirektion 3, der Anti-Gewalt- Kurse an Schulen gibt – in jeder Direktion gibt es einen solchen Ansprechpartner. „Das Opfer muss deutlich machen, dass es hier nicht freiwillig mitmacht und es sich um einen Gewaltkonflikt handelt“, sagt Zorn. Viele Fahrgäste nähmen sonst die Situation als übliche Streitigkeit zwischen Jugendlichen wahr, nicht aber als Gefahrensituation. Sind erst einmal andere Menschen aufmerksam geworden, seien die Täter – meist treten Jugendliche in Gruppen auf – nicht mehr in der Überzahl. Wichtig sei es, auf Abstand zu den Angreifern zu gehen, ihnen nicht den Rücken zuzukehren und deutlich zu machen, dass man jetzt Personal oder Polizei informiere.

Vor allem sollte man sich nicht auf das Niveau der Täter begeben, indem man sich provozieren lässt und ebenso pöbelt. „Lass das, Du Penner“ beispielsweise, gäbe den Tätern nur einen Grund, sich nun als Angegriffenen zu sehen und weiterzumachen. „Damit gibt man ihnen grünes Licht. Sie warten nur darauf“, sagt Zorn. Bei derartigen Konflikten gehe es immer um Machtdemonstration. Wie Zorn sagt, zielten die Angreifer darauf ab, Werte des Opfers wie Ehre, Familienehre oder Männlichkeit zu verletzen. Sich darauf nicht einzulassen, sondern andere um Hilfe zu bitten, „ist kein Zeichen von Feigheit“, sagt von Döllen. Das bedeute keinesfalls, dass man „wegsehen“ sollte, wenn sich ein Konflikt andeutet: „Doch wir kennen viele Fälle, wo Helfer dazwischen gingen, und hinterher schwer verletzt worden sind.“ Deshalb sei es besser,dem Opfer und Täter zu signalisieren, dass man die Situation erkannt hat, Hilfe holt – statt sich in Gefahr zu begeben.

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