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Berlin: Nicht nah genug dran

Studie zeigt, dass viele Projekte gegen Rechts die Zielgruppe auffälliger Jugendlicher nicht erreicht

Körperverletzung, Brandstiftung, Landfriedensbruch und verbotene Propaganda – die Zahl rechtsextremer Taten steigt in Berlin. Eine Studie im Auftrag der Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ sollte nun überprüfen, wie erfolgreich Berliner Projekte gegen Rechts arbeiten. Das Ergebnis: Die Zielgruppe wird oft nicht erreicht. Zu wenige Initiativen würden sich direkt an bereits auffällig gewordene rechte Jugendliche richten. Außerdem fehle es an Angeboten in Gebieten, in denen es zu besonders vielen rechten Straftaten kommt, heißt es in der Studie, die Thomas Härtel (SPD), Staatssekretär für Sport und Vorsitzender von „Berlin gegen Gewalt“ im Rathaus Charlottenburg vorstellte.

„Ich akzeptiere keine rechte Orientierung und keine rechte Gruppen", sagte der Staatssekretär. Man müsse aber beobachten, wo derartige Tendenzen verstärkt vorkommen und dort auf Jugendliche zugehen, die noch ansprechbar seien. „Die müssen wir erreichen, um den rechtsextremen Organisationen den Boden zu entziehen“, so Härtel weiter. Gleichzeitig betonte er, dass auch die Stärkung einer nicht-rechten Jugendkultur weiterhin Aufgabe der Projekte bleiben solle.

Von der Arbeitsstelle „Jugendgewalt und Rechtsextremismus“ am TU-Zentrum für Antisemitismusforschung wurden 166 Projekte befragt. Über 180 000 Menschen wurden danach 2005 und 2006 von Projekten gegen Rechts erreicht. „Bildungsarme Zielgruppen und rechtsextrem orientierte und gewaltaffine Projektteilnehmer“ blieben darunter jedoch eine sehr kleine Minderheit, so die Forscher. Die Studie kritisiert auch, „dass viele Projekte mit inhaltlichen Ansätzen arbeiten, die für das Problemfeld Rechtsextremismus, insbesondere den Gewaltkomplex“, nicht konkret genug seien. Oft würden Aufgaben von Schulen und anderen Bildungsträgern, wie etwa Aufklärung über den Nationalsozialismus, von den Initiativen mit übernommen.

Helga Seyb von der Opferberatungsstelle ReachOut, hält die von Härtel geforderte Jugendarbeit mit auffälligen rechten Jugendlichen grundsätzlich für richtig. Trotzdem müssten aber nicht-rechte Jugendliche weiterhin vor Rechtsextremen geschützt werden. „Im Zweifelsfall muss ein Jugendzentrum auch mal eine rechte Clique rausschmeißen, damit die anderen Besucher nicht eingeschüchtert oder angeworben werden“, sagt Seyb. Darüber hinaus warnt sie davor zu denken, dass es sich bei rechtsextremen Schlägern ausschließlich um Menschen mit niedrigem Bildungsniveau handele. „Es ist Unsinn, solche Gewalttäter auf diese Weise zu verharmlosen“, sagt Seyb. Die besonders gewaltbereiten, militanten Neonazis seien gut organisiert und gebildet. Allein über Jugendarbeit könne man diese nicht mehr erreichen. Johannes Radke

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