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Berlin: Nicht nur in Punkto Hochschulpolitik kommen sie mit der Partei auf keinen Nenner

Bei der Grünen Jugend treibt allein schon die Frage das Stimmungsbarometer in die Hitzezone. "Mit denen haben wir doch null Berührungspunkte", ereifert sich Kevin Thurley auf dem wöchentlichen Aktivistentreffen in Kreuzberg.

Bei der Grünen Jugend treibt allein schon die Frage das Stimmungsbarometer in die Hitzezone. "Mit denen haben wir doch null Berührungspunkte", ereifert sich Kevin Thurley auf dem wöchentlichen Aktivistentreffen in Kreuzberg. Der 18-jährige Politologie-Student regt sich vor allem über die Hochschulpolitik der Christdemokraten auf. "Studiengebühren und so - das ist doch absolut daneben. Da haben wir ja sogar mit den Jungen Liberalen mehr Berührungspunkte." Die anderen in der Runde nicken zustimmend. Aber nicht nur die Hochschulpolitik bringt sie auf die Barrikaden. "Innere Sicherheit, Ausländerpolitik", zählt Kevin auf, "das geht nicht mit uns".

Rund zehn Leute sind an diesem Abend in das Kreuzberger Büro gekommen. Alle sind unter 25 und fast alle Studenten. Mit überquellendem Ikea-Regal, abgeschabtem grauen Sofa und verblichenen Schautafeln an den Wänden unterscheidet sich das junggrüne Domizil denn auch kaum von einem x-beliebigen Fachschaftsbüro. Wahlkampfnachschau ist angesagt: Die Grünen, ist man sich schnell einig, haben den Kontakt zur Basis verloren. "Die versuchen den Spagat zwischen zwei Welten, das kann nicht klappen", meint der 22-jährige André Salem. Er ist einer von den zwei Jung-Grünen, die Bezirksverordnete geworden sind. Zur Grünen Jugend sind die meisten gekommen, "weil sie etwas machen wollen - für die Umwelt".

Das Verhältnis zwischen Partei und Nachwuchsorganisation ist schon seit längerem getrübt. Die Weigerung des Landesverbandes, sich gegen den Kosovo-Einsatz auszusprechen, hatte die Jung-Aktivisten empört, die daraufhin ihre Unterstützung im Wahlkampf verweigerten. Das war aber nicht der einzige Grund für den Wahlkampf-Boykott: "Solange die nicht einen Kandidaten auf der Landesliste haben, der unter dreißig ist, fühle ich mich nicht angesprochen", meint der 17-jährige Benedikt Lux kämpferisch.

Streng genommen gehört die Grüne Jugend ja gar nicht zu den Grünen, sondern ist ein eigenständiger Verein, der vor fünf Jahren gegründet wurde und in Berlin 120 Mitglieder hat. Für André ist denn auch das Ziel der Grünen Jugend "die Vermittlung grüner Werte und nicht die Heranführung an die Partei". Zumindest bei der Handhabung der Rednerliste orientiert man sich aber an parteigrünen Gepflogenheiten und geht streng nach Quote vor: Frau, Mann, Frau, Mann.

Nach der Wahl plädiert Sprecher Jan Kellermann für den Blick nach vorne: "Wir wollen jetzt wieder stärker zusammenarbeiten, das ist ganz klar." Vor allem bei der Formulierung des neuen Grundsatzprogramms der Grünen wollen die jungen Grünen mitmischen. "Mit dem Ziel, ein Profil links von der Mitte zu schaffen", wie Jan fordert. Unterstützung bekommt er von Kevin: "Wir sollten auch nicht den Fehler der Jusos machen und immer nur Fundamentalkritik betreiben." Konstruktive Kritik ist jetzt angesagt. Für eine besseres Verhältnis zum Landesverband gibt es gleich einen Vorschlag: Ein gemeinsames Fußballspiel mit Landessprecher Andreas Schulze.

Das zweite große Thema, das an diesem Abend auf der Tagesordnung steht, ist die Werbung neuer Mitglieder. "Erst einmal müssen wir die Büroorganisation verbessern", kritisiert die 22-jährige Antje Witting, "es kann nicht sein, dass Postkarten mit Anfragen ohne Antwort bleiben." "Genau", bekräftigt Kevin. In seiner Eigenschaft als Schatzmeister weist er auch gleich darauf hin, dass man noch Geld für eine halbe Stelle beantragen könnte - "da müsste sich nur mal jemand drum kümmern." Auch der Telefondienst lässt noch zu wünschen übrig. "Und was ist mit E-Mail?", fragt der 23-jährige Manuel Sahib, der demnächst in der Bezirksverordnetenversammlung in Kreuzberg sitzen wird. Mittlerweile lässt die Aufmerksamkeit in der Runde schon nach. Kevin ist dazu übergegangen, die Vorschläge mit einer quietschenden gelben Bibopuppe zu kommentieren.

Die 18-jährige Christine Straumer erinnert an die jährliche Auschwitz-Fahrt, die die Jungen Grünen demnächst machen. "Dafür haben sich fünfzig Leute angemeldet - mal sehen, was daraus wird." "Außerdem: Man kann echt viel mit Reden erreichen. Einfach Leute ansprechen und für unser Programm werben - das ist zwar eine Scheiß-Arbeit manchmal, aber das bringt echt viel", meint Kevin. Das "normale Programm" ist auch schon so umfangreich: Arbeitsgruppen mit Themen wie Energie, Frieden oder Bildung gehören dazu, demnächst kommen Grüne aus Schweden zu Besuch.

"Wir setzen auf klassische Rekrutierungsmaßnahmen", meint Jan und entschuldigt sich gleich: "Das klingt zwar komisch, aber so heißt es nun mal." Dazu gehörten für ihn Seminarangebote vor allem zur Arbeit in den Schülervertretungen, Bildungsfahrten wie zum Beispiel die nach Auschwitz. Und vor allem: "Nicht so ein unterschwelliges Spaßangebot wie die bei der CDU bieten - die stehen ja mit Lollis vor den Schulen und werben mit Billardspielen."

Katharina Voss

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