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Berlin: Nicht sauber, aber rein

Kalkschichten, Rostflocken – Berlins Wasserrohre sehen nicht gerade appetitlich aus. Doch Trinkwasser wird nach Lebensmittelrecht kontrolliert

Von Christoph Villinger

„Durch diese Rohre soll Trinkwasser in Lebensmittelqualität geflossen sein?“ Das kann sich Horst Liermann nicht vorstellen. Seit 35 Jahren betreibt er in der Krummen Straße in Charlottenburg sein Werkzeuggeschäft. Diesen Sommer wechseln die Berliner Wasserbetriebe (BWB) in der Straße vor seinem Haus aus Altersgründen die alten Trinkwasser-Gussrohre aus. Zwei der ausgebauten und zerschlagenen Gussrohre mit etwa zehn Zentimetern Durchmesser hat er in seinen Laden mitgenommen. Was er in den Rohren entdeckte, hat ihn entsetzt. „So viel Rost und Dreck habe ich noch nicht einmal in alten Toilettenrohren gesehen. Vom Gestank ganz abgesehen.“ Doch Eike Krüger, Sprecher der BWB, kann das erklären. „Da Berlin ein sehr hartes Wasser mit hoher Kalkkonzentration hat, bilden sich an den Rohrinnenwänden Ablagerungen, die vielmehr eine Schutzschicht darstellen.“ Zudem enthalte das Berliner Wasser Eisen, das kleine Flocken bilde. „Dies ist aber alles nicht gesundheitsschädlich“, versichert Krüger. Das Problem sei, dass, sobald das zuvor quasi luftdicht verschlossene Rohr ausgebaut ist und kein Wasser mehr durchfließt, Keime aus der Luft mit den Ablagerungen reagieren. „Da geht dann die Biologie los“, und das stinke natürlich.

Das etwa 7800 km lange Berliner Trinkwassernetz mit rund 250 000 Hausanschlüssen werde laufend kontrolliert, „nicht nur bei den Wasserwerken, sondern überall im Rohrnetz bis zum Verbraucher“. Denn das in Berlin ausschließlich aus Tiefbrunnen gewonnene Trinkwasser unterliege dem Lebensmittelrecht“, so der Sprecher der Wasserbetriebe. „Und da wird so scharf wie bei keiner Fleisch- oder Brötchenproduktion kontrolliert.“ Vielmehr genieße das Berliner Trinkwasser, von dem ein Berliner 124 Liter pro Tag verbraucht, „wegen seiner guten Qualität im europäischen Vergleich einen Sonderstatus“.

Allerdings gebe es in Berlin ein Problem, das aber mit dem „öffentlichen Trinkwassernetz bis zum Hausanschluss“ nichts zu tun habe. „Für Trinkwasserleitungen aus Bleirohren in den Häusern“, so Krüger, die noch immer in jedem 20. Haushalt besonders im Westteil der Stadt anzutreffen sind, „sind die Wasserwerke nicht verantwortlich“. Trotzdem versuche man das zu 60 Prozent noch aus Gusseisen bestehende Netz ständig zu erneuern. Das Durchschnittsalter der Leitungen liegt bei 50 Jahren, die ältesten Rohre liegen mittlerweile 130 Jahre unter der Erde. Im Jahr 2001 verlegten die Wasserwerke 72,6 km Leitungen neu. Mit 1256 Fällen im Jahr 2001 sei die Zahl der Rohrschäden normal, so der Sprecher der Wasserbetriebe. „Seit Jahren bewegen wir uns zwischen 1000 und 1500 Rohrbrüchen pro Jahr, dies ist eine gute Quote“, führt Krüger weiter aus.

Auch Michael Bender, Wasserexperte der Grünen Liga, schließt sich den Ausführungen Krügers an. Ob das Berliner Trinkwassernetz bei so vielen Rohrbrüchen nicht marode ist? „Eher nicht“ – das sehe selbst sein Umweltverband so. In den letzten Jahren hätten die Wasserwerke viel gemacht und Leitungen ausgewechselt. „Sicher gibt es Defizite, besonders im Osten gehören Teilstrecken mal ausgewechselt“, sagt der Umweltexperte. Rund um den Alexanderplatz platzten 1999 große Hauptleitungen, mussten die umliegenden Straßen jeweils für eine Woche gesperrt werden. Neben den vielen Bauarbeiten, bei denen die Rohre erst freigelegt und dann wieder zugeschüttet werden, gilt der zunehmende Schwerlastverkehr bei den Wasserwerkern als Hauptgrund für Rohrbrüche.

Die Berliner Wasserwerke bieten Kundenberatung zum Trinkwasser unter der Tel.: 86 44 34 59 an. Auf der Internetseite der BWB ( www.bwb.de ) sind die Messergebnisse nach Postleitzahlen sortiert.

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