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Berlin: Nicht zu gebrauchen

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Zugegeben, das Wörtchen zu ist unverzichtbar. Abgesehen vom Infinitiv mit zu, gehört dieses Wörtchen zu den sehr häufig benutzten Präpositionen, denn es wird in vielfältiger Bedeutung gebraucht. Doch man kann alles übertreiben. Dieses Verhältniswort passt nicht immer. Oft ist es einfach überflüssig. Eine schlechte Mode hat sich eingeschlichen. Politiker zum Beispiel reden nicht mehr über ein Thema, sondern zu einem Thema. Es wird zu Hartz IV diskutiert, zum Feinstaub, zur LoveParade und so fort. So etwas hört sich nach hingeworfenen Stichworten und oberflächlichen Anmerkungen an.

„Die Polizei machte keine Angaben zu seinem Motiv“, las ich. Sie machte also keinerlei Angaben über das mögliche Motiv des mutmaßlichen Straftäters. Staatssekretär Jürgen Chrobog vom Auswärtigen Amt sagte im Interview des Tagesspiegels auf die Frage, wie er sich die Kritik von Beamten an Außenminister Joschka Fischer erkläre: „Ich will hier zu den Motiven nicht spekulieren.“ Er wollte über die Motive nichts sagen oder nicht darüber spekulieren.

In einem Antrag der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses steht der Satz: „Wenig durchdacht erscheint auch die durch Hartz IV bedingte Neuregelung zu den Kinderzuschlägen.“ Gemeint ist sicher die Neuregelung der Kinderzuschläge. Nun ist Hartz IV ein weites, steiniges Feld. Es gibt viele komplizierte Dinge, die kaum in kurze Worte zu fassen sind. Man will sich daher allgemein ausdrücken. Dabei kommen so schiefe Formulierungen heraus wie die „Neuregelung zu den Kinderzuschlägen“.

Die Präposition zu zeigt jedoch klar die Richtung oder Art und Weise einer Handlung oder das Zusammentreffen von Umständen an. Manch einem steigt der Erfolg zu Kopf. Das Gesetz trat zum 1. Januar in Kraft. Die Unterhändler trafen sich zu einer Nachtsitzung. Vier Millionen Arbeitslose sind zu viel. Zur Freude der Opposition lenkte die Regierung ein. Zur Visa-Affäre kam für Joschka Fischer auch noch der Ärger wegen der abgeschafften Nachrufe für Beamte des Auswärtigen Amtes hinzu.

Manchmal allerdings fehlt das Wort zu dort, wo es hingehört. Wer brauchen nicht mit zu gebraucht, braucht brauchen nicht zu gebrauchen. Diese Regel gilt immer noch. Nur wird sie zumindest umgangssprachlich oft ignoriert. Das hat wohl mit der falschen Analogie zu den Hilfsverben müssen und dürfen zu tun. Muss man jedes Wort auf die Goldwaage legen? Nein. Aber es ist kein gutes Deutsch, wenn gesagt wird, dass man es nicht tun braucht. Man braucht nicht alles auf die Goldwaage zu legen.

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