zum Hauptinhalt

Berlin: Nichts wie raus

Justizsenatorin wirbt in Spandau für offenen Vollzug

Nur die Goldfische sind wirklich eingesperrt. Ihr Teich ist eingezäunt, damit an Besuchstagen keine Kinder ins Wasser fallen. Dagegen gibt es vor den Fenstern der im Grünen gelegenen Haftanstalt an der Spandauer Kisselnallee keine Gitter. Selbst der Stacheldraht auf dem Grundstückszaun ist grün gestrichen. Und obwohl das Tor weit offen steht, wollen mehr Leute hinein als heraus. Gestern war Tag der offenen Tür im Knast.

52 der 140 Insassen sind Freigänger, die tagsüber einem Beruf nachgehen. Der Rest hat keinen Job oder muss sich noch für den offenen Strafvollzug bewähren.

Unter den Besuchern war auch Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). Die Politikerin hofft allerdings vergeblich darauf, bei den Gästen auf Unternehmer zu treffen, die den Gefangenen Beschäftigung bieten. Stattdessen erfährt sie, dass auch ein Arbeitsprojekt für Strafgefangene bei den Berliner Forsten gefährdet ist. In der Kisselnallee gibt es nur leichtere Fälle mit Strafen unter zwei Jahren. Viele sind „in eine Sache hineingerutscht“ und würden ohne den Freigang alles verlieren, sagt Sozialarbeiterin Heike Schlagge. Doch für Arbeitslose und diejenigen, denen der Job gekündigt wurde, wird die Beschäftigungssuche immer schwieriger. Und durch das Hartz-Gesetz droht manchem der Verlust der bisher für die Rückkehr ins Normalleben vorgehaltenen Wohnung.

Die Senatorin kauft an den verschiedenen Ständen Holzpuzzle und Puppen für die Enkelin, einen Stoff-Teddy und Waschlappen in Mausform. Mit einer Bratwurst setzt sie sich zum Plausch zu zwei Gefangenen auf eine Bank. Der eine, ein junger Kellner, sagt, er sei froh, seine Strafe hier verbüßen zu können. Er ist seit einer Woche in Haft. Der andere Mann hofft, bald auch in den Freigang zu dürfen. Noch gilt er als gefährdet.

Das zeigt, wie sehr darauf geachtet wird, wer heraus darf, sagt Karin Schubert später. In keinem Bundesland gebe es so viele Freigänger wie hier. In Berlin sei die Akzeptanz des offenen Strafvollzugs größer als auf dem Lande. Schwere Straftaten während des Freigangs seien die Ausnahme. Mit 10 bis 15 Prozent liege die Rückfallquote deutlich unter dem Drittel im geschlossenen Vollzug, sagt Gefängnischef Wilfried Walter. Zu den Nachbarn in der angrenzenden Laubenkolonie hat man ein gutes Verhältnis. Zu Walters „Gästen“ in der Haftanstalt Hakenfelde, wo 270 weitere Freigänger Platz finden, zählte auch Ex-DDR-Staatschef Egon Krenz.

Rainer W. During

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false