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Berlin: Nimm mich mit, Kapitän

Wer schon immer mal am Steuer eines Motorbootes sitzen wollte, ist in Berlin richtig Zahlreiche Verleihfirmen bieten die passenden Schiffe an – auch ohne Führerschein.

Sackgasse! Plötzlich ist Schluss. Wenden? Rückwärts fahren? „Übe manövrieren gleich am Anfang“, hatte der Bootsverleiher in Friedrichshagen gemahnt, aber das hilft hier, am Ende eines von Gebüsch und Bäumen und Bootsstegen flankierten Seitenkanals von Neu Venedig, auch nicht weiter. Gleich mit Vollgas Richtung Müggelsee war eben ein Fehler, auch wenn das bei einem führerscheinfreien Boot nicht mehr als knapp zehn km/h sind. Aber nun geht der Rückwärtsgang einfach nicht rein, und es hört sich an, als müsse sich die Schraube gerade mit der ganzen Kraft ihrer fünf PS von Algen, Schlick oder was auch immer befreien. Nun auch noch ein Piepsen! Also Motor aus, Paddel nehmen, abstoßen. Endlich klappt’s mit dem Rückwärtsgang, und das Boot tuckert aus der Enge. 

Berlin ist ein Paradies für Freizeitkapitäne. Auf 44 Kilometern schlängelt sich die Spree durch die Stadt, fast elf Kilometer ist der Landwehrkanal lang, dazu gibt es die vielen umliegenden Seen, Flüsse, Kanäle. Zahlreiche Bootsvermietungen locken die Berliner aufs Wasser – auch die ohne Bootsführerschein. Den braucht man erst ab fünf PS, doch die meisten Verleiher haben auch führerscheinfreie Boote. Es gibt sie ab 16 oder 18 Jahren, nach kurzer Einweisung geht es los.

Bei Ralph Todts Bootsvermietung „Spreepoint“ im Wassersportzentrum am Müggelseedamm in Friedrichshagen dümpeln 40 Boote im Wert von 500 000 Euro im Hafenbecken: Nussschalen mit 5-PS-Motor, Elektroboote, Grillboote, Kajütmotorboote, Segelschiffe. Todt hat alle nach Familienmitgliedern und Freunden benannt, das alte Segelschiff nach Oma Hertha, Elektroboot Duffy nach der Cousine und Paula nach der Katze. Die Hälfte der Flotte kann ohne Schein gemietet werden. Ein Boot nur für sich hat Todt nicht. „Brauch’ ich doch nicht, wenn ich 40 Stück hier liegen habe.“ Aber er nutzt sie selten, geht lieber schwimmen oder ruht sich im Hausboot aus. In der Saison, von April bis Oktober, ist er täglich fast zwölf Stunden am Hafen. Dann muss er das Geld für den Winter verdienen. Bis zu 3000 Mal im Jahr erklärt er Kunden Technik und Regeln. Manche Sommerwochenenden sind schon ausgebucht, Todt empfiehlt frühe Reservierung.

Gut also, schon in solch einem begehrten Boot zu sitzen. Aus den Kanälen von Neu Venedig, wo jede Hütte einen Bootsanlegeplatz hat so wie Häuser in der Stadt Parkplätze, geht es zurück nach Friedrichshagen. Im Schilf verstecken sich Enten. Reiher und Angler warten auf Fische, Cafés und Biergärten auf Gäste, auch Boote können dort anlegen. An der Kirche in Rahnsdorf breitet ein Fischer seine Netze vor. Vor uns liegt der Müggelsee, das Boot schaukelt nun stärker, der Wind pfeift, Wassertropfen spritzen ins Gesicht. Wenn wir den Motor ausstellen, hören wir nur noch den Wind und die ans Boot klatschenden Wellen. Noch kein PS-starkes Boot lärmt vorbei, und auch am Himmel herrscht noch Ruhe.

Wer jetzt Richtung City weiterfährt, braucht ab Oberbaumbrücke bis zum Kanzleramtssteg einen Motorbootführerschein und ein Boot mit mehr als fünf PS. Und seit April dürfen Sportboote und kleine Schiffe zwischen Mühlendammschleuse und Lessingbrücke nur fahren, wenn sie eine UKW-Sprechfunkanlage an Bord haben. Wegen der vielen Baustellen, erklärt das Wasser- und Schifffahrtsamt. So könne man über Funk helfen. Die Regelung gilt aber nur zwischen 9 und 19 Uhr, weil dann die meisten Fahrgastschiffe unterwegs sind.

Auf dem Wasser gelten ähnliche Regeln wie auf den Straßen: Rasen und mehr als 0,5 Promille sind verboten. „Den Bußgeldkatalog sollte man ernst nehmen“, rät Verleiher Todt. Die Wasserschutzpolizei kontrolliere oft, auch auf kleinen Booten in Zivil oder mit der Laserpistole vom Ufer aus. Auf dem Wannsee etwa sind zwölf km/h erlaubt. Wer mehr als sechs darüber ist, dem drohen 190 Euro Strafe. Und wer der Zivilpolizei mit einem Bier zuprostet, darf pusten.

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