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Berlin: Noch nicht im grünen Bereich

Wie sehr setzen wir Berliner unserer Umwelt zu? Sind wir gedankenlose Verschwender oder rücksichtsvolle Bewohner der städtischen Landschaft? Der Umgang mit Energie, Wasser, Verkehr, Müll oder Lärm – so sieht es in der Hauptstadt aus. Eine Bilanz in neun Kapiteln von Stefan Jacobs

Der alarmierende Zustand der Welt ist in jüngster Zeit jedem deutlich geworden. Nach dem Blick auf die weltweiten Gefährdungen für unseren Planeten ist es Zeit, vor die eigene Haustür zu schauen: Wie sehr setzen wir Berliner unserer Umwelt zu? Sind wir gedankenlose Verschwender oder rücksichtsvolle Bewohner eines kommunalen Biotops? Ist unsere Stadt eher intakte Landschaft oder betonierte Wüste? Wie ökologisch ist Berlin?

Die Antworten fallen teils erfreulich aus. Ein Teil des Berliner Glücks ist naturgegeben – der Wald- und Wasserreichtum etwa. Manches hat die Geschichte gefügt, den industriellen Zusammenbruch nach der Wende beispielsweise. Und dass der Durchschnittsberliner nicht übermäßig reich war und ist, ist für unsere Umwelt durchaus ein Segen: Wer nicht zum Shoppen nach London fliegt und vom Geländewagen nur träumt, schont die Ressourcen. Kompakte Wohnungen benötigen weniger Heizenergie – die ist übrigens der größte Einzelposten auf der deutschen Öko-Rechnung – als ausladende Villen. Und der Artenvielfalt in den städtischen Parks schadet es nicht, wenn der Rasen nur einmal im Jahr gemäht wird.

Der größte menschengemachte Bonus für die Berliner Öko-Bilanz aber ist das öffentliche Nahverkehrsnetz. Denn exzessives Autofahren schadet der städtischen Umwelt auf jede denkbare Weise: Kraftstoff muss hergestellt und transportiert werden, Natur wird zu Straßenland, Anwohner werden krank vom Lärm, Abgase schädigen lokal Menschen, Tiere, Pflanzen und global das Klima.

Diesen Nahverkehr gilt es ohne Abstriche zu bewahren. Die großen Themen hat der Senat inzwischen allesamt angepackt, aber die Öko-Wunschliste ließe sich beliebig verlängern: Wir hätten gern mehr Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden, mehr zeitgemäß gedämmte Häuser, mehr Fahrradstreifen und mehr Tempolimits. Und manchmal mehr Weitsicht, damit der Verwaltung zu so großen Themen wie dem geplanten Kohlekraftwerk von Vattenfall mehr einfällt als ein ebenso zögerliches wie hilfloses Nein. Eine Bilanz in neun Kapiteln.

ENERGIE

Für die bundeseigene Deutsche Energieagentur (Dena) ist Berlin ein Verschwender: Während der Verbrauch bundesweit von 1990 bis 2003 um zwei Prozent gesunken sei, habe er in Berlin um sechs Prozent zugelegt. Dabei gleicht das Minus der Industrie (- 47 % in Berlin, - 22 % in Deutschland) die fatale Zunahme bei Verkehr (+ 11 % in Berlin, + 9 % in Deutschland) und Haushalten sowie bei Dienstleistung und Handel (+ 16 % in Berlin, + 3 % in Deutschland) sogar teilweise aus.

Gebäudeheizungen sind die größten Energiefresser – und Klimakiller – im Land. Nach Ansicht von Dena-Energiespezialistin Felicitas Kraus ließen sich durch konsequente Gebäudesanierung deutschlandweit bis 2020 bis zu 69 Prozent des Heizenergiebedarfs vermeiden. Für Berlin gibt es zwar keine eigene Berechnung, aber zweifellos riesiges Potenzial. So fehlt in der Stadt mit ihren rund 90 Prozent Mietwohnungen der Anreiz: Anders als Eigenheimbesitzer profitieren Vermieter kaum von den sinkenden Heizkosten, weil die sowieso von den Mietern bezahlt werden. Gelindert wird dieses Problem durch die halböffentliche „Berliner Energie-Agentur“, die seit zehn Jahren private und öffentliche Eigentümer so unterstützt, dass alle von den gesparten Energiekosten profitieren. Einen weiteren Anreiz bieten Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), mit denen laut Umweltverwaltung im ersten Quartal die Sanierung von 4056 Wohneinheiten gefördert wurde. Das sind zwar weniger als in Bayern (4375), aber weit mehr als in Brandenburg (573) und in Hamburg (1273). Trotzdem resümiert ein Experte im Umweltbundesamt: „Bei der KfW müsste sich Berlin mehr abholen.“

Bei der Energieversorgung zeichnet sich Berlin durch Westeuropas größtes Fernwärmenetz aus. Darin wird Wärme eingespeist, die bei der Stromerzeugung ohnehin anfällt und anderswo einfach verlorengeht. Der gesamte Kraftwerkspark, den Vattenfall von der Bewag übernommen hat, funktioniert mit dieser Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), die den Wirkungsgrad der Anlagen von etwa 40 auf 80 Prozent verdoppelt. Abnehmer der Fernwärme sind vor allem die Großsiedlungen in den Ostbezirken. Das zurzeit rund 1300 Kilometer lange Netz deckt rund 27 Prozent des Wärmebedarfs und wird weiter ausgebaut.

Die Grünen kritisieren, dass das Land die seit 1995 für Neubauten geltende Wärmeschutzverordnung nicht kontrolliert. Dieser Vorwurf trifft aber auch andere Bundesländer. Richtig finster sieht es in Berlin dagegen bei der Gewinnung erneuerbarer Energien aus: Tolle Solarforschung, aber mangelhafte Umsetzung, heißt es beim Bundesverband Solarwirtschaft: Gerade 0,03 Prozent des Strombedarfs würden solar gedeckt – Rang 13 im Bundesvergleich. 30 Prozent wären möglich, das sonnigere Bayern bringe es schon auf ein Prozent. Immerhin will die Umweltverwaltung bis 2010 die Solarstromproduktion um ein Drittel aufstocken. Die Fläche der thermischen Solaranlagen (Heizung und Warmwasser) solle „mittelfristig“ von knapp 50 000 auf rund 80 000 Quadratmeter wachsen. Eine Berliner Windkraftanlage ist aber vorerst nicht in Sicht.

KOHLENDIOXID

Energieverbrauch und Klimaschutz hängen unmittelbar miteinander zusammen, denn jede konventionell erzeugte Kilowattstunde bedeutet in die Atmosphäre geblasenes Kohlendioxid. Laut Umweltverwaltung verursacht jeder Berliner 7,2 Tonnen CO2 pro Jahr – weit weniger als der Durchschnittsdeutsche mit rund zehn Tonnen. Ein Bremer bringt es demnach gar auf 18,1 und ein Hamburger auf 11,3 Tonnen. Bei den Bremern steigen die Emissionen sogar noch, während Berlin laut Verwaltung von 1990 bis 2003 seinen CO2-Ausstoß um 16 Prozent gesenkt hat – auch eine Nebenwirkung des industriellen Kollapses in den 90ern. Im Landesenergieprogramm ist bis 2010 ein Minus von 25 Prozent avisiert. Das könnte schwierig werden, weil vor allem die Emissionen aus Straßen- und Flugverkehr weiter wachsen.

Die weitere Entwicklung wird stark von der Art der Strom- und Wärmeversorgung abhängen: Ein neues Steinkohlekraftwerk von Vattenfall würde mit fast fünf Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr die Bilanz auf Jahrzehnte ruinieren. Braunkohle, bei der für jede Kilowattstunde Energie fast ein Kilogramm CO2 in die Luft geblasen wird, ist auch für Vattenfall indiskutabel, Erdgas schneidet mit rund 360 Gramm aber noch viel besser ab als Steinkohle mit 750 Gramm. Außerdem lässt sich Erdgas mit klimaneutralem Biogas mischen und durch Rohre transportieren, während Kohle per Schiff oder Bahn geliefert werden muss.

Eine Rechnung der BSR illustriert die Bedeutung von Biogas: Weil die Stadtreinigungsbetriebe unter anderem mit Methan von drei stillgelegten Deponien ein kleines Kraftwerk betreiben, können sie ihre CO2-Bilanz von 1990 bis 2010 nach Auskunft um 87 Prozent verbessern. Der Effekt ist so enorm, weil Methan ein 21-mal so starker Klimakiller ist wie Kohlendioxid. Hinzu kommen die Vorteile eines modernen Fuhrparks mit 52 Erdgas-Fahrzeugen und ökologische Neubauten wie der mit Erdwärme geheizte Betriebshof in der Kniprodestraße. Schlechter sieht es bei den Biotonnen aus, deren Inhalt laut BSR nur zu sechs Prozent energetisch verwertet wird. Weit hinten liegt die Stadt auch bei der Erzeugung von Solar- und Windenergie.

VERKEHR

Nirgends sonst in Deutschland kommen so viele Menschen ohne Auto aus wie in Berlin: 362 Pkws pro 1000 Einwohner nennt das Kraftfahrtbundesamt (KBA), 317 die Verkehrsverwaltung. So oder so ist die Zahl viel besser als in anderen Großstädten und im Bundesschnitt (siehe Grafik). Die Tendenz in Berlin ist seit dem Jahr 2000 sogar leicht fallend.

Autofahren ist in der Stadt mit Abstand die umweltschädlichste Fortbewegung. Am anderen, grünen Ende der Skala stehen Laufen und Radeln, dann kommen Bahnen und Bus – und dann lange nichts. Wo aber sind die Autofahrer hin? Ein paar sind auf Busse und Bahnen (1,34 Milliarden Fahrgäste 2006) umgestiegen, andere laufen, und manche bleiben wohl zu Hause, weil die Zahl der zurückgelegten Wege insgesamt leicht sinkt. Vor allem aber wird mehr Fahrrad gefahren, und dieser Trend verstärkt sich von Jahr zu Jahr. Bei der letzten großen Verkehrszählung 1998 lag der Radler-Anteil noch bei zehn Prozent, jetzt schätzen ihn Verkehrsexperten auf knapp zwölf Prozent. 15 Prozent sollen es laut Radverkehrsstrategie des Senats bis 2010 werden. Diese Strategie gilt bei externen Fachleuten als vorbildlich, aber das Tempo ihrer Umsetzung wird moniert. So gibt es in Berlin noch immer fast keine Fahrradstraßen. Hinzu kommen abschreckende Regelungen wie der Grundsatz, dass nur auf ausdrücklich freigegebenen Wegen durch Grünanlagen geradelt werden darf. In anderen Städten wie Hamburg und Leipzig sei es umgekehrt, sagt Benno Koch, der Fahrradbeauftragte des Senats. „Angeblich sollen die Alten und Schwachen geschützt werden – aber genau die beklagen sich bei uns über solche Verbote.“

Laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes (UBA) sind rund die Hälfte aller innerstädtischen Wege kürzer als fünf Kilometer. Bis maximal sechs Kilometer ist das Fahrrad laut UBA das schnellste Verkehrsmittel überhaupt. Durch gezielte Förderung sollten sich demnach rund 30 Prozent aller Autofahrten aufs Fahrrad verlagern lassen. Als Vorbild wird Münster mit 32 Prozent Radverkehrsanteil genannt.

Der Autoverkehr hat laut Senat auf den Stadtstraßen in den letzten neun Jahren um fünf bis zehn Prozent abgenommen, während er auf den Autobahnen leicht zugelegt hat. Neubauprojekte wie die A113 können unerfreuliche Nebenwirkungen haben: Während die Bahn etwa von der City West zur Wissenschaftsstadt Adlershof gut eine Dreiviertelstunde braucht, ist man mit dem Auto ohne Stau neuerdings in unschlagbaren 20 Minuten da.

WALD

Viel guter Wille, aber wenig Grund zur Freude – das charakterisiert den Berliner Stadtforst, zu dem formal auch einige Wälder im Umland gehören. Zuerst die guten Nachrichten: Mit 16 000 Hektar hat Berlin den mit Abstand größten Stadtwald in Deutschland; 18 Prozent des Stadtgebietes sind bewaldet. Zwei Zertifikate sichern schonende Bewirtschaftung: Das FSC-Siegel (Forest Stewardship Council, etwa: „Welt-Forstrat“) macht Produkte leichter verkäuflich und garantiert beispielsweise Käufern von Möbeln oder Brennholz, dass sie keinen Raubbau unterstützen. Die Forstverwaltung knüpft zurzeit ein Netz mit Sägewerken und Tischlern; noch liegt viel Potenzial brach. Für die Bürger gibt es Aktionen wie das dritte „Berliner Holzspektakel“ vom vergangenen Wochenende und den Internetauftritt www.berliner-holz.de.

Zusätzlich zum bereits weit verbreiteten FSC-Siegel hat der Berliner Wald das Zertifikat „Naturland“. Ähnlich wie beim Bio-Siegel gelten beispielsweise Beschränkungen beim Chemie-Einsatz. Und zehn Prozent werden gar nicht angerührt. Diese kleinteiligen „Referenzflächen“ verteilen sich über alle Wälder.

Die schlechten Nachrichten stehen im Waldzustandsbericht: Ein Drittel der Bäume sind schwer und mehr als die Hälfte leicht geschädigt. Wirklich intakt sind nur noch acht Prozent. Vor dem Rekordsommer 2003 waren noch 22 Prozent in Ordnung, so dass die Klimaprognosen mit mehr trockeneren und heißeren Sommern Schlimmes befürchten lassen. Auch im Vergleich mit Brandenburg und mit ganz Deutschland (siehe Grafik) steht der Berliner Wald schlecht da. Als Abhilfe fordert der Waldzustandsbericht, die „Vorläufersubstanzen der Ozonbildung aus verkehrsbedingten Emissionen“ zu verringern. Damit sind vor allem die von Autos und Lastwagen produzierten Stickoxide gemeint.

WASSER

Das gute Berliner Trinkwasser ist das Ende einer langen Kette. Der Anfang ist der natürliche Wasserreichtum der gesamten Region, der mit den reinigenden Eigenschaften des Bodens das gute Trinkwasser ergibt. Während es in Westdeutschland und -europa teils mühsam aufbereitet wird, filtern die Berliner Wasserbetriebe nur Eisen heraus, damit die Rohre frei und die Wäsche weiß bleiben.

Beim Thema Wasser geht die Landesverwaltung traditionell auf Nummer sicher: Rund ein Drittel der Stadt ist Wasserschutzgebiet. Das erschwert Bauprojekte und Industrieansiedlungen, sichert aber die Ressourcen. So ist der Plänterwald in Treptow Schutzgebiet, obwohl dort gar kein Trinkwasser gewonnen wird. Aber vielleicht später, wenn die Niederschlagsmenge weiter sinkt und der Nachschub knapper wird. Schon jetzt fließen im Jahresmittel aus allen Zuflüssen nur rund 40 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Stadt. Zum Vergleich: Beim Rhein sind es 2300, bei der Elbe gut 600 Kubikmeter pro Sekunde. Spree und Havel sind eher Stauseen als Flüsse: Würden die Schleusen am Mühlendamm und in Spandau geöffnet, ließen sie sich zu Fuß durchwaten.

Je länger das Wasser in der Landschaft steht, desto sorgsamer muss es saubergehalten werden. Die Einleitungen aus Industriebetrieben sind seit den 90er Jahren nicht mehr dramatisch, und für die Klärwerke gelten nach Auskunft der Wasserbetriebe strengere Grenzwerte als im übrigen Deutschland. Damit begründet das Unternehmen auch die relativ hohen Berliner Abwassergebühren.

Mit etwa 115 Litern pro Tag verbraucht ein Berliner etwa zehn Prozent weniger Wasser als ein Durchschnittsdeutscher. Generell ist der Verbrauch im Osten geringer, was sowohl an neueren Armaturen und Hausgeräten als auch an dem „Preisschock“ liegt, der nach der Wende mit dem Einbau von Wasserzählern über viele Ostdeutsche kam. Ökologisch ist Sparsamkeit bei Wasser nicht so bedeutsam wie bei der Energie: „Was wir hier sparen, hat Afrika nicht zusätzlich“, sagt ein Experte der Wasserbetriebe lapidar.

LÄRM

Lärm ist eines der größten Umweltprobleme überhaupt. Nach Auskunft der Verwaltung sind tagsüber rund 220 000 und nachts mehr als 300 000 Berliner gesundheitsschädlichem Krach ausgesetzt. Diese Zahlen enthalten nur die Anwohner von Hauptverkehrsstraßen. Hinzu kommen Flug- und Eisenbahnlärm. Letzterer ist im Bahnknotenpunkt Berlin ein besonders wichtiger Punkt. Fachleute kritisieren auch, dass der Bahn jede Lärmschutzmaßnahme mühsam abgerungen werden müsse. Auch ein Forschungsprojekt für leisere S-Bahnzüge ist über die Pilotphase nicht hinausgekommen.

Beim Flugverkehr ist mit der geplanten Schließung von Tempelhof und Tegel Besserung für Hunderttausende in Sicht. Allerdings ist Schönefeld die völlig falsche Alternative für den Großflughafen: Während hier mehr als 100 000 Menschen in und nahe der Einflugschneise leben, wären beim zeitweise diskutierten Sperenberg kaum 2000 Anwohner betroffen gewesen.

Matthias Hintzsche, Lärmexperte im Umweltbundesamt (UBA), gibt Berlin im Bundesvergleich gute Noten: Während anderswo der Lärm erst erfasst werde, arbeite Berlin schon an der Abhilfe. Die EU verlangt Lärmminderungspläne für Ballungsräume bis Juli 2008. Die Bevölkerung muss einbezogen werden – was den Handlungsdruck auf die Politik erhöhen dürfte. Berlin liegt zwar im Zeitplan, aber weit hinter dem laut Hintsche vorbildlichen Norderstedt, wo der fertige Plan bereits seit einem Jahr umgesetzt werde – mit Tempolimits und streng am Bedarf orientierten Taktzeiten für Busse und Bahnen. Denn Straßenverkehr ist die größte Lärmquelle und daher jede vermiedene Autofahrt ein Gewinn.

Auf der Habenseite Berlins stehen Modellprojekte zur Lärmminderung in Mitte, Köpenick und Pankow. Ein struktureller Nachteil ist dagegen die Durchmischung von Wohnen und Gewerbe, die Anwohner beispielsweise durch Lieferverkehr stören kann. Weniger Lärm ist für Berlin mit seinen landeseigenen Wohnungsgesellschaften auch ein handfester Wirtschaftsfaktor: Wo es sich ruhiger lebt, werden höhere Mieten erzielt.

FLÄCHENVERBRAUCH

Tag für Tag werden in Deutschland rund 100 Hektar Land in „Siedlungs- und Verkehrsfläche“ umgewandelt. Anders gesagt: Jeweils nach reichlich zwei Jahren ist eine Fläche von der Größe Berlins verbraucht. Im besseren Fall werden Brachen zu Gärten, im schlechteren Biotope zu Straßen. Mit der natürlichen Landschaft schwindet die Vielfalt von Tieren und Pflanzen. Auf versiegelten Flächen läuft Regenwasser an der Oberfläche ab, statt zu versickern. Es lässt Flüsse anschwellen, statt lebenswichtiges Grundwasser zu bilden. Und über zugebauter Landschaft kann auch das Wetter ungemütlicher werden: heiß, wenn es anderswo nur warm ist, und stürmisch, während anderswo nur Wind weht.

Deshalb ist es ein ökologischer Glücksfall, dass der Durchschnittsberliner mit 183 Quadratmeter Siedlungs- und Verkehrsfläche auskommt. Auf einen Brandenburger kommt das Fünffache (siehe Grafik) – mit steigender Tendenz, was jedoch nicht nur aus Neubauten, sondern auch aus Einwohnerschwund resultiert.

Der Umweltverband BUND moniert, dass Berlin kein zentrales Flächenmanagement hat und dass die „Großgrundbesitzer“ Bund, Land und Bahn mangelhaft zusammenarbeiten. Auch ist der geringe Flächenbedarf pro Einwohner ein zwangsläufiger Vorteil von Großstädten, wie die Plätze zwei und drei von Hamburg und Bremen zeigen. „In der Stadt wohnen die Leute eher übereinander“, sagt Gertrude Penn-Bressel, die im Umweltbundesamt (UBA) das Fachgebiet „Umweltbezogene Raumplanung“ leitet. Sie sieht weitere Vorteile der Großstadt: Kompakte Siedlungen ergeben kurze Wege, während die Einfamilienhausgegenden im Speckgürtel nicht nur an der Landschaft knabbern, „sondern auch wahnsinnige Verkehrserzeuger sind“. Ein Spitzenplatz also für Berlin.

LUFT

Die Wende war das Beste, was der Berliner Luft passieren konnte: Mit Braunkohle befeuerte Ofenheizungen wurden ausgemustert, Zweitakterautos verschrottet und Industriebetriebe geschlossen. Weil gleichzeitig im Westen Katalysatoren für Autos und Filter für Kraftwerke zum Standard wurden, sank die Konzentration aller Schadstoffe. Beim giftigen Schwefeldioxid ging sie seit 1987 in der Innenstadt von rund 90 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf etwa fünf zurück. Auch Kohlenmonoxid – ein typisches, hochgiftiges Abgas von Autos ohne Kat – ist kein Thema mehr, ebenso wenig Benzol und Schwermetalle, die früher bei der Müllverbrennung frei wurden.

Drei Probleme sind geblieben: Das bekannteste ist der für die Atemwege schädliche Feinstaub, der allerdings teilweise von weither in die Stadt geweht wird. Hier ist Berlin ein Negativbeispiel – aber die Abwehrstrategie bekam bei einer großen Untersuchung des BUND im vergangenen Herbst die Bestnote 1,8. Besondere Pluspunkte vergab der Verband für die ab 2008 geplante Umweltzone, die gezielt die umweltschädlichsten Autos aussperrt, und dafür, dass erwiesenermaßen vergebliche Mühen wie Straßenspülungen nicht weiterverfolgt werden.

Problem Nummer zwei heißt Stickstoffdioxid – und hat gute Chancen, mit einer EU-Verordnung 2010 so berühmt zu werden wie der Feinstaub. 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sind dann im Tagesmittel erlaubt. An den Hauptstraßen wird dieser Grenzwert zurzeit fast täglich weit überschritten. Kein Wunder, denn Hauptverursacher sind Dieselmotoren.

Das dritte Problem ist die vor allem im Sommer oft hohe Ozon-Konzentration, die die Atemwege empfindlicher Menschen belastet. Zwar ist sie teilweise natürlich, aber Verkehrsabgase wie Kohlenwasserstoffe und Stickoxide fördern die Ozonbildung. Und die höchsten Konzentrationen halten sich ausgerechnet in Wohn- und Waldgebieten.

ABFALL

288 Kilogramm Haus- und Sperrmüll Abfall hat der Durchschnittsberliner laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2005 erzeugt. Das ist weit mehr als im Bundesdurchschnitt, aber deutlich weniger als in Hamburg. Am wenigsten landet in baden-württembergischen Tonnen. Die Frage ist, wo er stattdessen landet, denn das gesamte Abfall-Aufkommen – inklusive Altglas, Biotonne, Papier und Grünem Punkt – ist in Sachsen am geringsten. Offenbar trennen die Schwaben sehr gründlich. Oder sie verwerten alles, was in den Ofen und auf den Kompost passt.

BSR-Sprecher Thomas Klöckner kann auch über die Berliner nicht klagen: „Sie trennen zunehmend besser.“ 2006 sei 40 Prozent mehr Elektroschrott eingesammelt worden als 2005. Das dürfte zwar auch mit einer neuen Verordnung zu tun haben, aber die BSR registrierte auch 30 Prozent mehr Grünabfälle, 20 Prozent mehr Altholz sowie mehr ausrangierte Teppiche und Textilien. Bei Papier und Glas seien die Mengen konstant.

Als Umweltproblem spielt Müll dank neuer Aufbereitungstechnik und einem Deponierungsverbot eine kleinere Rolle.

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