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Schnell raus hier! Polizeibeamte und Schauspieler üben den Ernstfall, einen Amoklauf an einer Schule in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Update

Notfall-Training in Berlin-Weißensee: Rettungskräfte üben Amoklauf-Einsatz in Schule

Anruf in der Notrufzentrale der Polizei: Amoklauf in einer Schule. Innensenator Frank Henkel ist zufrieden mit der Übung in Echtzeit.

Es ist exakt 11.10 Uhr, als zwei maskierte Personen vor der Martin-Wagner-Schule in Weißensee mit Pistolen in die Luft feuern und in das Oberstufenzentrum eindringen. Panisch stürmen schreiende Schüler aus dem Gebäude, während aus dem Inneren des Komplexes weitere Schüsse zu hören sind. Es dauert acht Minuten, bis die ersten Funkwagen der Polizei eintreffen. Kurz darauf verschafft sich ein Zugriffsteam durch den Seiteneingange Zutritt zum Gebäude, während zwei Streifenpolizisten den Haupteingang sichern.

Wenige Minuten vergehen, bis auch Rettungswagen der Feuerwehr am Tatort vorfahren und die Sanitäter unter dem Schutz bewaffneter Polizisten blutende Menschen und erste Tote bergen. Eine halbe Stunde später stürmt ein behelmtes, schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando (SEK) die Schule. Es ist eine Szenerie, die sofort Bilder vergangener Tragödien wachruft: Bilder aus Erfurt, Bilder aus Winnenden. Amokläufe, bei denen zwei jugendliche Täter mehrere Menschen und anschließend sich selbst töteten.

Größte Polizeiübung seit Jahren

Doch die Verletzten aus der Martin-Wagner-Schule sind nicht wirklich verletzt, sondern Unfalldarsteller der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Die Leichen sind keine echten Toten, sondern Puppen. Die zwei Maskierten sind eigentlich Berliner Sicherheitskräfte und in den Feuerwaffen der Polizisten stecken keine Patronen. Nur die Polizisten, die sind echt. Die schaulustigen Passanten, die am Straßenrand stehen geblieben sind, werden Zeugen „der größten Polizeiübung seit Jahren“, wie Stefan Redlich, der Pressesprecher der Berliner Polizei, sagt.

Mehr als 350 Darsteller, der Großteil von ihnen Polizeianwärter, haben an der Inszenierung mitgewirkt. Die Beamten im Dienst wussten davon nichts. Erst, als sie am Unglücksort eintrafen und ihnen eingeweihte Kollegen die Munition abnahmen, wurden sie aufgeklärt. „Wir kommen Gott sei Dank sehr selten in solche Situationen, aber wenn, müssen wir bestmöglich vorbereitet sein“, erklärt Redlich die Aktion.

Bei Amoklauf zählt jede Sekunde

Die Situation, mit der die Beamten umgehen mussten: Zwei Täter töten insgesamt neun Menschen und verletzen 30 teils schwer. Anschließend verschanzte sich einer der Schützen mit einigen Geiseln in einem Klassenzimmer. „Wir wollten sehen, wie unsere Beamten mit dieser Extremsituation und dem Umschalten umgehen können: Bei einem Amoklauf zählt jede Sekunde, bei einer Geiselnahme ist es wichtig abzuwarten und zu verhandeln“, klärt der Pressesprecher auf.

100 Beobachter, unter ihnen Innensenator Frank Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt, konnten das Geschehen aus dem Epizentrum, aus einem Schulraum, mitverfolgen: Kameras übertrugen die Bilder auf die Monitore in den Raum. Henkel berichtete später von einem „außerordentlich professionellen Vorgehen von Polizei und Feuerwehr“. In den kommenden Tagen und Wochen werden Polizei und Feuerwehr nun Bildmaterial, Funksprüche und Abläufe auswerten.

Denn obwohl jeder Polizist ein spezielles Training für solche Situationen erhält, sagt Redlich: „Es ist eine Situation, auf die sich niemand einstellen kann. Jeder muss das Vorgehen, das er gelernt hat, abrufen, mit dem gemeinsamen Ziel die Täter kampfunfähig zu machen. Wir wollen dieses Vorgehen nach Möglichkeit perfektionieren“.

Übung soll Polizeien bundesweit dienen

Er erhofft sich aus dieser Übung nicht nur viele Informationen für seine Berliner Kollegen, sondern für Polizeien in ganz Deutschland. Innensenator Henkel zumindest hatte am Donnerstag schon den Eindruck, „dass die Übung ein Erfolg war“. Auch für Polizeipräsident Kandt war es „ein großer Sprung nach vorne“.

Wie ernst Polizei und Feuerwehr der Einsatz war, zeigt das Überangebot an Einsatzkräften, das sie am Donnerstag aufboten: Insgesamt 44 Rettungswagen der Feuerwehr, etwa doppelt so viele Polizeiwagen, Spezialeinsatzkommando, Scharfschützen und sogar ein bemannter Räumpanzer waren vor Ort. Im Unterschied zu vorangegangenen Übungen konnte nun auch endlich das Zusammenspiel der verschiedenen Sicherheitskräfte in der Realität getestet werden.

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