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Rettet Tegel! Am Sonnabend ging es aber ausnahmsweise nicht um die Frage, ob der Flughafen dauerhaft offengehalten werden soll – sondern um eine Katastrophenübung, bei der Polizei und Feuerwehr den Ernstfall probten.

© dpa

Notfallübung auf dem Flughafen Tegel: Feuer im Terminal, Verletzte und Theaternebel

Mit einem präparierten Snackautomat, Theaternebel und geschminkten Verletzungen übten am Samstag Einsatzkräfte auf dem Flughafen Tegel den Katastrophenfall. "Rescue 2013 TXL" heißt die Übung, zu der die Flughäfen laut einer Vorgabe der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO mindestens alle zwei Jahre verpflichtet sind.

Irgendwo hinter den Jalousien wird gleich eine Katastrophe passieren. Ein Snackautomat im Obergeschoss des Terminals D am Flughafen Tegel gerät in Brand. Menschen werden panisch davonrennen, sofern ihnen die Flucht gelingt. Feuerwehrleute werden sich mit schwerem Gerät durch den Qualm kämpfen, während ihnen Passagiere entgegenkommen, die einfach nur raus wollen und dabei schlimmstenfalls aufs Rollfeld laufen. Das Unglück an diesem unschuldig heiteren Sonnabend hat aber einen entscheidenden Vorteil: Es ist nicht echt. Der Snackautomat ist präpariert, der Qualm bloß Theaternebel, die Verletzungen geschminkt. Echt sind nur die Retter, die hier den Ernstfall proben.

„Rescue 2013 TXL“ heißt die Übung, zu der die Flughäfen laut einer Vorgabe der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO mindestens alle zwei Jahre verpflichtet sind. Welches Szenario geprobt wird, ist den Verantwortlichen überlassen. Nach Auskunft von Feuerwehrsprecher Jens-Peter Wilke kommt es vor allem aufs Zusammenspiel der Einsatzkräfte an: Flughafensicherheit, Feuerwehren von Flughafen und Stadt, Landes- und Bundespolizei. Damit im Ernstfall niemand an einer inaktuellen Notfallnummer scheitere oder erst den Hydrant suchen müsse.

„Wir fahren hier das kleine Besteck auf“, sagt Wilke. Soll heißen, dass im Ernstfall noch mehr Kräfte geholt würden. Die Übung sei trotz Vorankündigung dennoch recht realistisch. Denn ausrücken könne die Berufsfeuerwehr auch ohne Warnung jederzeit schnell.

Prost. So eine Übung ist ganz schön anstrengend, und warm war’s am Sonnabend auch. Aber im Ernstfall wäre fürs Trinken wohl keine Zeit.
Prost. So eine Übung ist ganz schön anstrengend, und warm war’s am Sonnabend auch. Aber im Ernstfall wäre fürs Trinken wohl keine Zeit.

© dpa

Um 14.02 Uhr dringt das erste Tatütata durch den Düsenlärm auf dem Vorfeld des Flughafens: Von der Wache auf der anderen Seite her kommen vier Feuerwehren gerast. Das Unglück nimmt seinen vorgesehenen Lauf. Die Retter werden von einem Dutzend Verantwortlichen mit lila Warnwesten und Klemmbrettern erwartet. Und von mehreren Dutzend Passagier-Darstellern, die durch den Notausgang aufs Vorfeld strömen. Ein blasses Rauchwölkchen hängt jetzt vor der Fassade des Terminals, das für diese Übung gesperrt wurde. Binnen Sekunden sind die Schläuche ausgerollt. „Jetzt muss geschaut werden, wer am schwersten verletzt ist“, erklärt der Feuerwehrsprecher. „Das sind nicht unbedingt die, die am lautesten schreien.“ Die als Verletzte geschminkte Frau reagiert so, wie es auch reale Katastrophenopfer im Schock manchmal tun: Sie läuft planlos herum – und prompt ins verqualmte Gebäude zurück.

Nach zehn Minuten erfährt Wilke über Funk, dass auch die städtische Feuerwehr eingetroffen ist und am Treffpunkt vor dem Flughafenzaun wartet. Das Rollfeld darf auch sie nicht auf eigene Faust befahren. Vor dem Terminal sind inzwischen auch Bundespolizisten und Sicherheitsleute eingetroffen, die die unverletzten Passagiere betreuen. Keinesfalls darf jemand – ob im Schock oder in böser Absicht – einfach aufs Rollfeld laufen. Die von der Flughafengesellschaft gecasteten Komparsen sind in dieser Beziehung leichte Fälle.

Das gilt allerdings nicht für jenen „Schwerverletzten“, den die Männer der Flughafenfeuerwehr aus dem Gebäude schleppen. Der „Bewusstlose“ dürfte deutlich mehr als 100 Kilo wiegen. Das gehört ebenso zu einer möglichst praxisnahen Übung wie die Frau, die im Rollstuhl aus dem Terminal geschoben wird.

Um 14.19 Uhr rollt endlich die Berliner Feuerwehr an: Eine Schnur von acht signalroten Perlen mit blitzendem Blaulicht, angeführt von einem schwarz-gelb karierten Follow-me-Wagen. Sie nehmen den langen Weg übers Vorfeld – und haben möglicherweise beim Warten aufs Führungsfahrzeug wertvolle Zeit verloren. Falls es so war, wird das bei der Auswertung der Übung in den nächsten Tagen thematisiert.

Allerdings wäre es auch im Ernstfall zumindest bei diesem Unglück nicht schlimm gewesen, weil die Flughafenfeuerwehr die Lage unter Kontrolle hatte und die Kollegen der Stadtfeuerwehr nur bei der Nacharbeit halfen. Ein größeres Problem zeigt sich nur den direkt Beteiligten: Weil die Flughafenfeuerwehr formal eine private Werksfeuerwehr ist, darf sie nicht den Behördenfunk nutzen, auf dem sie die städtische erreichen würde. Deshalb muss deren Einsatzleiter seinen Kollegen vom Flughafen erst suchen. Eine Gesetzeslücke, die in diesem Fall fast egal ist, aber bei einer Katastrophe wie der Bruchlandung einer Boeing in San Francisco vor einer Woche Menschenleben kosten kann.

Während die Komparsen gut gelaunt wieder in den Shuttlebus steigen, packt die Feuerwehr zusammen. Die Verantwortlichen treffen sich zur Auswertung. Feuerwehrsprecher Wilke benennt die Defizite - und stellt zugleich klar: „Wir machen uns um den Flughafen Tegel wenig Sorgen.“ Die Feuerwehr dort sei gut aufgestellt, weil sie beispielsweise vier große Löschfahrzeuge habe, obwohl nur drei vorgeschrieben seien. Kein Grund zur Beunruhigung also.

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