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Berlin: Notopfer Berlin – wie funktioniert das ?

Acht Fragen zum Haushaltsnotstand: Es kommt kein Sparkommissar, aber es gibt strenge Auflagen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat sieht Berlin in einer extremen Haushaltsnotlage und will Finanzhilfen des Bundes einklagen. Warum?

Um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Am Ende der Wahlperiode (2006) muss das Land Berlin für die aufgenommenen Kredite über drei Milliarden Euro Zinsen zahlen. Alle Sparerfolge werden durch die jährlich wachsenden Zinsausgaben zunichte gemacht. Ohne Hilfe von außen kommt Berlin auf keinen grünen Zweig.

Muss der Bund zahlen?

Sehr wahrscheinlich. Wenn der Senat nachweisen kann, dass Berlin nicht nur unter einer „kurzfristigen Finanzschwäche“ leidet, sondern unverschuldet in eine dauerhafte Notlage hineingeraten ist, wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich ein Urteil zugunsten der Hauptstadt fällen. „Ausreichende Eigenanstrengungen“ zur Konsolidierung des Landeshaushalts vorausgesetzt.

Wann fließt die Staatsknete nach Berlin?

Das kann dauern. Die Richter in Karlsruhe lassen sich erfahrungsgemäß nicht drängen. Nach einem Urteil wird die Bundesregierung versuchen, den Ländern einen Teil der Sanierungslast aufbürden und am Ende muss das neue „Notopfer Berlin“ in Gesetzesform gegossen werden. Realistisch, wie er ist, rechnet Finanzsenator Thilo Sarrazin erst 2008/09 mit Sanierungsgeldern des Bundes.

Wie viel Geld muss der Bund zahlen?

Das ist Verhandlungssache – aber folgende Rechnung hilft weiter: Berlin häuft bis 2006 einen Schuldenberg von 60 Milliarden Euro an. Auf Dauer sind, auch bei striktem Sparkurs, höchstens 20 Milliarden Euro Schulden verkraftbar. Aus Sicht Berlins müsste der Bund also 40 Milliarden Euro überweisen. In fünf oder zehn Jahresraten. Dem Bundesfinanzminister ist jetzt schon schlecht.

Und dann schickt die Bundesregierung einen Sparkommissar, der auf jeden Euro guckt, der in Berlin ausgegeben wird?

Es gibt keinen Sparkommissar. Aber „Hilfen zur Haushaltssanierung sind mit strengen Auflagen und einem verbindlichen Sanierungsprogramm zu verknüpfen“, steht im Maßstäbegesetz des Bundes, das den Finanzausgleich in Deutschland neu regelt. Über die Verwendung der Zuschüsse und Sanierungsfortschritte muss dem Bundesfinanzminister jährlich berichtet werden.

Der Senat darf mit dem vielen, schönen Geld keine Lehrer einstellen oder finanzschwachen Sozialeinrichtungen auf die Beine helfen? Ist das gerecht?

„Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen dienen nicht dazu, aktuelle Vorhaben zu finanzieren“, legt das Maßstäbegesetz fest. Und im Finanzausgleichsgesetz des Bundes steht ergänzend, dass solche Sanierungshilfen „unmittelbar zur Schuldentilgung zu verwenden sind“.

Aber neue finanzielle Spielräume, die durch den Schuldenabbau entstehen, darf Berlin nach eigenem Gusto verwenden?

Leider auch nicht. Solange der Bund helfend einspringt, müssen neue Finanzierungsspielräume entweder für Investitionen genutzt werden, um die Wirtschafts- und Finanzkraft des Landes zu stärken. Oder um die Nettoneuverschuldung zu verringern.

Ist doch typisch! Berlin brät sich mit seiner extremen Haushaltsnotlage mal wieder eine Extrawurst…

Stimmt nicht. Die „Hungerleider“ Bremen und Saarland waren Vorreiter. Beide Länder haben sich 1992 erfolgreich beim Bundesverfassungsgericht eingeklagt. Seit 1994 bekommen sie – noch bis Ende 2003 – Sanierungshilfen des Bundes. Über zehn Jahre insgesamt 15,2 Milliarden Euro. Kein Pappenstiel.

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