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Schon Mark Twain schrieb über die "schreckliche deutsche Sprache"

© picture alliance / Britta Peders

Now in German, please: Muss ich meine Nachbarn beim Deutschlernen unterstützen?

Die neuen Nachbarn aus Kanada lernen Deutsch, doch die Kommunikation ist schwierig. Also besser auf Englisch unterhalten? Unsere Autorin gibt Rat.

Wir haben neue Nachbarn, die aus Kanada hierhergezogen sind. Die Frau spricht sehr schlecht Deutsch. Das macht eigentlich nichts, weil ich mich mühelos auf Englisch unterhalten kann. Sie verfällt aber immer wieder in ihre Versuche, sich auf Deutsch verständlich zu machen. Das nervt mich, und manchmal bin ich kurz davor, die Geduld zu verlieren. In Berlin kommt man doch überall durch, auch ohne Deutschkenntnisse.

Mark Twain hat sogar einen langen satirischen Aufsatz geschrieben über „die schreckliche deutsche Sprache“, der es aus seiner Sicht an Logik fehlt und an nachvollziehbaren grammatischen Strukturen. Insofern ist es doch bewundernswert, dass die Nachbarin sich so bemüht, die Sprache ihres neuen Landes zu lernen.

Es ist zwar richtig, dass man in Berlin mit Englisch fabelhaft zurechtkommt. Das trifft aufs Alltagsgeschehen durchweg zu. Man kann einkaufen, essen gehen, trainieren und niemals in die Verlegenheit geraten, ein deutsches Wort in den Mund nehmen zu müssen. Aber man wird sich mit der Kultur eines Landes immer besser vertraut machen, wenn man dessen Sprache beherrscht. Das weiß Ihre Nachbarin offenbar und entwickelt entsprechenden Ehrgeiz.

Je mehr sie dazulernt, desto einfacher wird es doch

Den kann man nur loben, weil er eben auch gute Haltungen wie Respekt und Neugier beinhaltet. Sie fühlen sich beim Flurgespräch ein bisschen ausgenutzt als Gratis-Nachhilfe? Stellen Sie sich vor, die Nachbarin hätte Sie gebeten, ihr beim Tragen eines schweren Getränkekastens oder bei einer kleinen Reparatur in ihrer Wohnung zu helfen. Dann wäre vermutlich sofort Ihre Hilfsbereitschaft wachgekitzelt worden. Noch mag Ihnen die Verständigung auf Deutsch mühsam und unnötig zeitraubend erscheinen. Aber je mehr die Nachbarin dazulernt, desto einfacher wird es doch.

Ja, Sie schenken ihr einen Gefallen, etwas von Ihrer Zeit und Ihren Nerven. Verfallen Sie erst gar nicht mehr ins Englische, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Loben Sie am besten auch die Fortschritte der Nachbarin und verbuchen Sie die mühseligen Konversationen auf Ihrem Konto für gute Taten. Wenn Sie sich das immer mal wieder vor Augen halten, verfliegt die Ungeduld ganz schnell.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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