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Berlin: NPD-Aufmarsch: Kommentar: Wo bleibt der "Aufstand der Anständigen"?

Ein Erfolg ist ein Erfolg und kann doch zwiespältig sein. Am vergangenen Sonnabend ist es militanten Linken gelungen, den Neonazis eine Niederlage beizubringen - der fünfte Aufmarsch in Berlin in diesem Jahr endete abrupt am Alex.

Von Frank Jansen

Ein Erfolg ist ein Erfolg und kann doch zwiespältig sein. Am vergangenen Sonnabend ist es militanten Linken gelungen, den Neonazis eine Niederlage beizubringen - der fünfte Aufmarsch in Berlin in diesem Jahr endete abrupt am Alex. Endlich. So werden viele Berliner denken, die der rechtsextremen Provokationen schon lange überdrüssig sind. Dabei mag sogar in bürgerlichen Schichten eine gewisse Sympathie für die Methoden der Linken mitschwingen, auch wenn das Werfen von Steinen und Flaschen generell als unakzeptabel gilt. Doch der Beifall hinter vorgehaltener Hand klingt seltsam - und auch ein bisschen feige.

Warum haben nicht einmal fünf Prozent der 200 000 Demonstranten vom 9. November am letzten Sonnabend den Weg zum Ostbahnhof gefunden, um mit einer friedlichen Massenblockade den Neonazi-Marsch gar nicht erst zuzulassen? An Informationen über Ort und Zeitpunkt der rechten Demo hat es nicht gemangelt, offenbar aber an der erst am 9. November so massiv beschworenen Zivilcourage. Da kann Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wieder und wieder dazu aufrufen, sich dem rechten Pöbel entgegen zu stellen - wenn es darauf ankommt, bleibt die Gegenwehr den "üblichen Verdächtigen" überlassen, den bei rechten Auftritten stets präsenten 500 Autonomen und Punks. Zwar waren am Sonnabend auch etwa 2000 bürgerliche Gegendemonstranten auf der Straße, doch wären die Neonazis ohne die Steinwürfe der Linken bis zur Friedrichstraße durchmarschiert.

Wer Rechtsextremismus bekämpfen will, aber Gewalt und Einschränkung des Versammlungsrechts ablehnt, muss wohl selber aktiv werden. Und den "Kampf um die Straße", den die NPD propagiert, mit zivilen Aktionen, eben dem "Aufstand der Anständigen", beantworten. Das wäre vielleicht sogar im Sinne der Polizisten, die mit Wut im Bauch die Neonazis schützen müssen. Übrigens: Die Gelegenheit zu demokratischer Gegenwehr kommt bestimmt. Der Rückschlag vom Sonnabend wird die Neonazis nicht ruhen lassen, ein weiterer Aufmarsch dürfte bald in Planung sein - und damit unvermeidlich. Oder?

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