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Berlin: NPD-Aufmarsch: Protest gegen Demo eskaliert zur Straßenschlacht

Steinehagel, zerstörte Polizeiwagen, brennende Barrikaden und Reizgas in der Luft: Im traditionsreichen jüdischen Viertel zwischen Oranienburger Straße und Torstraße in Mitte lieferten sich gestern mehrere hundert Linke Straßenschlachten mit der Polizei. Insgesamt 4000 Nazi-Gegner protestierten gegen den NPD-Aufmarsch in Mitte.

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Steinehagel, zerstörte Polizeiwagen, brennende Barrikaden und Reizgas in der Luft: Im traditionsreichen jüdischen Viertel zwischen Oranienburger Straße und Torstraße in Mitte lieferten sich gestern mehrere hundert Linke Straßenschlachten mit der Polizei. Insgesamt 4000 Nazi-Gegner protestierten gegen den NPD-Aufmarsch in Mitte. Geschützt durch ein massives Aufgebot von 4000 Polizisten zogen unterdessen 3500 Rechtsextremisten vom Bahnhof Friedrichstraße zum Nordbahnhof, wo sie mit Sonderzügen der S-Bahn weggebracht wurden. Rechte und linke Demonstranten gerieten kaum aneinander. 30 Personen wurden festgenommen: 17 Neonazis und 13 Gegendemonstranten.

Vor der Synagoge in der Oranienburger Straße setzten sich Rabbiner und Mitglieder der jüdischen Gemeinde am Mittag demonstrativ auf die Straße. Ihre Sitzblockade richtete sich aber nicht nur symbolisch gegen die Nazis, sondern auch gegen den massiven Polizeieinsatz vor der Synagoge. An der Kreuzung Oranienburger Straße / Tucholskystraße hielten einige hundert Beamte die linke Gegendemonstration auf, nachdem die Innenverwaltung den geplanten weiteren Marsch zur Wehrmachts-Ausstellung in der Auguststraße untersagt hatte. "Wir dürfen hier nicht demonstrieren - und das unter Rot-Grün", schallte es aus dem Lautsprecherwagen. Minuten, nachdem die Demonstration die Kreuzung erreicht hatte, flogen Steine und Flaschen auf Polizisten. Eine halbe Stunde später, als sich die Auseinandersetzungen direkt vor die Synagoge verlagert hatten, riefen empörte Demonstranten "Schämt Euch!" zu den Polizisten, die junge Leute wegtrugen, die sich neben den Rabbinern auf die Straße setzten. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde fasste kein Beamter an. Rund um die Sitzblockade entwickelte sich ein regelrechter Straßenkampf. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Reizgas ein. Schließlich gelang es, die meisten Protestierer in Nebenstraßen abzudrängen. Viele strebten ohnehin der Chausseestraße zu, weil sich die neue NPD-Route herumgesprochen hatte. Die Polizei hatte jedoch die Straßen zum Nordbahnhof abgeriegelt.

Teilweise auf Sichtweite marschierte die NPD an den Randalierern vorbei. An der Spitze des Zuges trugen Rechtsextremisten ein gelbes Transparent mit der Aufschrift: "Gott mit uns! Und alles für Deutschland". Dahinter liefen der einstige RAF-Terrorist und jetzige NPD-Anwalt Horst Mahler, der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und andere Parteifunktionäre. In ihrem Gefolge marschierten Neonazi-Gruppen wie die "Kameradschaft Rostock" und der "Thüringer Heimatschutz". Die Menge skandierte vor allem "Ruhm und Ehre der Wehrmacht", aber auch die früher nur von Linken gerufene Parole "USA - internationale Vökermordzentrale". Bei der Zwischenkundgebung an der Kreuzung Friedrichstraße / Torstraße attackierten Voigt und der Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke die in Mitte gezeigte Wehrmachts-Ausstellung. Der italienische Rechtsextremist Roberto Fiore hielt eine Ansprache und rief "long live Italy".

Am Nordbahnhof verzichteten die Neonazis unter dem Druck der Polizei auf eine größere Abschlusskundgebung und stiegen nach dem Absingen der drei Strophen des Deutschland-Liedes gegen 16 Uhr in S-Bahn-Sonderzüge. Vor der Synagoge hatte sich die Lage eine Stunde früher beruhigt. Da tauchte plötzlich Gregor Gysi bei den Rabbinern auf, die noch immer auf der Straße saßen. Der PDS-Mann überredete sie zum "gemeinsamen demonstrativen Besuch" der Wehrmachts-Ausstellung.

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