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Berlin: NS-Gedenkstätten fürchten um ihre Unabhängigkeit Idee für Bundesstiftung stößt bei Topographie des Terrors und Haus der Wannsee-Konferenz auf Kritik

Unter den Leitern der vier großen Berliner Gedenkstätten zum nationalsozialistischen Terror gibt es große Bedenken gegen den Plan der Bundesregierung, die Einrichtungen unter dem Dach einer Bundesstiftung zusammenzufassen. Das wurde am Dienstag bei einem Kolloquium der Bundeszentrale für politische Bildung im Martin-Gropius-Bau deutlich.

Unter den Leitern der vier großen Berliner Gedenkstätten zum nationalsozialistischen Terror gibt es große Bedenken gegen den Plan der Bundesregierung, die Einrichtungen unter dem Dach einer Bundesstiftung zusammenzufassen. Das wurde am Dienstag bei einem Kolloquium der Bundeszentrale für politische Bildung im Martin-Gropius-Bau deutlich.

Die schärfste Kritik kam von Andreas Nachama, dem geschäftsführenden Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, die bislang zur Hälfte vom Bund finanziert wird. „Wir brauchen keine One-Stop-Agency“ zur Erinnerung an Opfer und Täter des Nationalsozialismus, hielt Nachama polemisch der Kulturstaatsministerin Christina Weiss entgegen, die zuvor für ihr Konzept einer gemeinsamen Struktur geworben hatte.

Es sei „fragwürdig“, ob eine zentrale Stiftung die Arbeit der vier Einrichtungen zu verschiedenen Aspekten des Nationalsozialismus sachgerecht fortführen könne. Als schlechtes Beispiel verwies Nachama auf die Zusammenlegung mehrerer Berliner Museen zum Stadtmuseum Berlin: „Die einzelnen Häuser sind nahezu aus dem Bewusstsein der Berliner verschwunden, die neue Institution hat wenig an Konjunktur gewonnen.“

Vor einer „leichtfertigen“ Neubestimmung der NS-Gedenkstätten warnte auch Norbert Kampe von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz. Er kann der Bundesstiftung aber auch positive Seiten abgewinnen. So wäre sein Haus dann nicht mehr von Etatkürzungen im Berliner Landeshaushalt betroffen, hofft er.

Deutlich optimistischer zeigten sich die Leiter der beiden anderen großen Gedenkstätten. „Die vorhandenen Einrichtungen zeigen nicht das Gesamtbild des Nationalsozialismus“, sagte Hans-Erhard Haverkampf, Geschäftsführer der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Er begrüßte die Suche nach einer „ganzheitlichen Lösung“ für Berlin, wenngleich auch er davor warnte, die einzelnen Gedenkstätten zu „Schaufenstern einer zentralen Einrichtung“ zu degradieren. Die stärkste Zustimmung kam von Johannes Tuchel von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Es sei „ausgezeichnet, dass der Bund stärker in die Verpflichtung geht“.

Politische Unterstützung erhielt die Kulturstaatsministerin von Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS). Die Reform der Gedenkstättenstruktur sei gut, um deren Potenziale besser zu nutzen. „Wir müssen die Gesamtdarstellung stärker akzentuieren“, auch müssten die bislang unabhängig arbeitenden Einrichtungen stärker verbunden werden. Einen Seitenhieb gegen das Bundeskonzept verkniff sich aber auch Flierl nicht: Angesichts der ebenfalls von Weiss angekündigten stärkeren Förderung der großen KZ-Gedenkstätten in den alten Bundesländern sagte er: „Wir hätten uns eine offensivere Position gegenüber den Einrichtungen in Berlin gewünscht.“

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