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Berlin: Nur ein Appell

Streit vor der Tempelhof-Abstimmung: Wie bindend ist der Volksentscheid für den Senat?

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat die Berliner gestern aufgerufen, beim Volksentscheid zum Flughafen Tempelhof mit Nein zu stimmen. Ein dauerhafter Betrieb Tempelhofs als Verkehrsflughafen widerspreche den Planungsgrundlagen für den neuen Großflughafen BBI. Würde auf die Schließung Tegels und Tempelhofs verzichtet, drohe in Schönefeld ein Baustopp. Wowereit forderte auch die Bundesregierung auf, sich ihrer „Mitverantwortung für die gemeinsame Berliner Flughafenpolitik“ zu stellen.

Fast genau vor einem Jahr hatte der Senat das Volksbegehren über Tempelhof zugelassen. „Nicht nur Gesetze können Gegenstand von Volksbegehren sein, sondern auch sonstige Beschlüsse, die das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeit zu Gegenständen der politischen Willensbildung fassen kann“, stand in der Stellungnahme des Senats vom 14. Mai 2007. „Dazu gehören auch politische Resolutionen.“ Es sei also zulässig, im Rahmen eines Volksbegehrens die Offenhaltung Tempelhofs als Verkehrsflughafen in Form eines „Appells an den Senat zu richten“.

Dagegen sei der zweite Teil des Begehrens nicht abstimmungsfähig, stellte der Senat damals fest: Nämlich „den Widerruf der Betriebsgenehmigung aufzuheben“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte schon am 2. Juni 2004 – auf Antrag der Berliner Flughafengesellschaft – die luftverkehrsrechtliche Genehmigung für Tempelhof widerrufen. Dieser Bescheid wurde juristisch angefochten, aber vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 12. Februar 2007 bestätigt. Mit Wirkung zum 31. Oktober 2008. Die letztinstanzliche Weihe bekam die behördliche Flughafenschließung am 4. Dezember 2007 durch das Bundesverwaltungsgericht.

Nach Einschätzung des Berliner Senats, die vom Träger des Volksbegehrens vor einem Jahr nicht angefochten wurde, war diese Flughafenschließung ein Verwaltungsakt, „der einer unmittelbaren Entscheidung des Abgeordnetenhauses und damit einem Volksbegehren nicht zugänglich ist“.

Wäre nicht 2006 mit Unterstützung aller fünf Parteien die Verfassung geändert worden, um Plebiszite zu erleichtern, hätten die Befürworter Tempelhofs vorzeitig aufgeben müssen. Vorher gab es keine Möglichkeit, mit einem erfolgreichen Volksentscheid „sonstige Beschlüsse“ zu fassen. Auch waren die Zustimmungsquoren deutlich höher als jetzt. Die Union wollte bei der Verfassungsreform zuerst gar nicht mitmachen, die SPD ließ sich ihre Zustimmung mit der Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters abkaufen, den Grünen ging die „direkte Demokratie“ nicht weit genug. Der Reform stimmten 84 Prozent der Wähler in einer Volksabstimmung zu. za

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