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Berlin: Nur ein paar Sympathisanten klatschen

Wie Pro Deutschland an fünf Orten gegen Flüchtlinge protestierte – und hunderte Gegendemonstranten aufmarschierten.

Mittwochmorgen, 9.30 Uhr. Hinter einem Polizeizaun an der Hellersdorfer Straße/Ecke Cecilienstraße bereitet sich die rechtspopulistische Bürgerinitiative Pro Deutschland auf ihre Kundgebung gegen Asylbewerber vor – die erste an diesem Tag, vier weitere in Moabit, Friedrichshain und Kreuzberg sollen folgen. Wahlplakate werden aufgestellt, ein Kleinbus rollt vor, die acht Teilnehmer der Kundgebung steigen aus.

Wie bei der NPD-Demonstration am Dienstagabend machen nur wenige Rechtsextreme gegen das Flüchtlingsheim mobil. Auf der anderen Straßenseite stehen etwa 100 Gegendemonstranten. Sie sehen müde aus. Viele haben die Nacht bei einer Mahnwache am Flüchtlingsheim verbracht. Es geht bei dieser Kundgebung aber nur vordergründig um das Heim. Pro Deutschland will Wahlkampf mit dem Thema machen. Und ansonsten ist es der alte Kampf zwischen Rechten und Linken.

Die Kundgebung kommt nicht richtig in Gang. Das Mikro stockt. Die Veranstaltung lebt von ihren Gegnern, die mit ihren Sprechgesängen und Pfiffen die Stimmung liefern. Ohne die, ohne das Polizeiaufgebot und ohne die Dutzenden Journalisten würde kaum ein Passant dem Geschehen länger als eine Minute folgen.

Lars Seidensticker, Landeschef von Pro Deutschland, steht vor seinen drei Zuhörern. Die klatschen pflichtbewusst und bemühen sich, selbstbewusst zu wirken. Unterdessen veröffentlichen die Direktkandidaten zur Bundestagswahl in Marzahn-Hellersdorf Monika Grütters (CDU), Petra Pau (Linke), Iris Spranger (SPD), Stefan Ziller (Grüne) und Tom Wesener (FDP) eine gemeinsame Erklärung „gegen den empörenden Versuch, ausländerfeindliche Stimmung zu schüren“.

Der Zug setzt sich am späten Vormittag wieder in Bewegung, nächster Treff beider Seiten ist die Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber an der Turmstraße in Moabit. Pro Deutschland-Mann Seidensticker redet sich in Rage: „Wenn ich Innensenator von Berlin bin, werde ich für diese Asylbetrüger einen Stempel anfertigen, und da wird drauf stehen: Abgelehnt und ausgewiesen!“ Die Polizei hat die Lage im Griff. Nur laut ist es. Die Gegner rufen „Nazis raus!“ Ein Mann drückt minutenlang seine Mopedhupe.

Am frühen Nachmittag zieht die Gruppe von Pro Deutschland dann weiter nach Kreuzberg und Friedrichshain. An der Warschauer Brücke wird sie schon von Pfiffen begrüßt. Bis zu 150 Gegendemonstranten sind da, mehr als 400 Polizisten positionieren sich zwischen den Lagern, auch hier verzeichnet die Polizei „nur wenig Störungen“. Kurz nach 15 Uhr ist auf der Warschauer Brücke kein Durchkommen mehr, doch rund 25 Minuten später löst sich die Demo schon wieder auf, beim Vorbeifahren hupt ein Laster den linken Aktivisten zu. Jubel ertönt.

Aber nun ziehen beide Seiten zur Hochburg der Linken in Friedrichshain. Auf dem Weg zur Rigaer Straße und Liebigstraße attackiert ein Mann vor den Augen der Polizei einen Jugendlichen mit einem Messer. Er wird festgenommen. Rund 250 Linke versammeln sich im Kiez zwischen beiden Straßen, Bewohner des Hausprojektes „Liebig 34“stehen mit Affenmasken vor dem Gesicht auf Balkonen, von den Dächern werden Böller geworfen, Anwohner schlagen auf Kochtöpfe, von der nahen Kita „Tausendfüßchen“ holen Eltern überstürzt ihre verängstigten Kleinen ab. Und mittendrin rollt anfangs fast unbemerkt der Propagandawagen von „Pro Deutschland“ vor.

Doch außer der herausspringenden Besatzung ist weit und breit kein einziger, Sympathisant zu sehen. Unterdessen fordert die Polizei vergeblich, keine Gegenstände mehr von den Dächern zu werfen. „Pro Deutschland“ skandiert: „Der Pöbel holt sich die Straße“. An einem offenen Fenster versucht ein Mann, das mit dem Saxofon zu übertönen.

Gegen 17.30 Uhr geht es dann weiter zur nächsten und letzten Konfrontation im Görlitzer Park. Die Schar der Gegendemonstranten ist hier auf mehr als 400 angewachsen. Ihnen stehen etwa zehn Rechtspopulisten gegenüber. „Hier steht das gute Deutschland“ rufen sie – und werden ausgebuht. Einmal versuchen Protestler, die Absperrung zum Pro Deutschland-Wagen zu überwinden – und werden von Einsatzkräften zurückgehalten. Gegen 20 Uhr meldet die Polizei: „Hier löst sich langsam alles auf.“ Auch am Görli sei es weitgehend friedlich geblieben. Stephan Kuhfs/Timo Kather

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