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Der Imam Ender Cetin arbeitet für das Projekt meet2respect.

© Sven Darmer

Elfjähriger sprach von Enthauptung: Was nach der Morddrohung gegen eine Lehrerin in einer Spandauer Schule geschah

Nachdem ein Schüler seiner Lehrerin den Tod angedroht hat, kümmern sich Psychologen und Sozialarbeiter um den Fall. Der Junge ist seitdem krankgeschrieben.

Der Hausmeister hat einen Weihnachtsbaum aufgestellt, er platzierte ein halbes Dutzend brusthohe Weihnachtsmänner auf den Gängen, Weihnachtsdeko liegt in Vitrinen und Regalen. Und in den Klassen diskutieren Schülerinnen und Schüler über selbstgebastelte Adventskalender. Besinnliche Stimmung also an der Christian-Morgenstern-Schule in Spandau, Alltag in der Vorweihnachtszeit, der typische Alltag an Berliner Schulen drei Wochen vor Weihnachten.

Bloß dass hier, in dieser Grundschule in einem sozialen Brennpunkt, noch mehr in der Luft liegt – die Konzentration auf eine Frage: Wie geht es weiter nach der Morddrohung? Nach dem Satz eines elfjährigen muslimischen Schülers zu seiner Lehrerin, er werde sie enthaupten, wenn sie darauf bestehe, dass seine Eltern zum Elterngespräch kommen.

Den Kindern, welche die Drohung hören mussten, geht es gut

Der Satz hatte Schockwellen durch die Gesellschaft geschickt. Den Schülern, die den Satz hörten, gehe es gut, sagt Karina Jehniche, die Schulleiterin. Eine Psychologin hat mit ihnen gesprochen, die bedrohte Lehrerin auch. „Inzwischen haben die Kinder den Vorfall schon wieder vergessen.“

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Der Elfjährige war seit dem Vorfall krank geschrieben, er sollte eigentlich am Montag wieder in die Schule kommen. Doch er tauchte nicht auf, erstmal ohne Begründung der Eltern. Nachforschungen der Schule ergaben, dass die Krankschreibung verlängert wurde. „Seine Familie hatte Angst, dass er in der Klasse ausgegrenzt würde“, sagt Jehniche. „Aber diese Gefahr besteht nicht, das hat auch die Psychologin festgestellt.“ Die bedrohte Lehrerin freue sich sogar, wenn er zurückkomme, sie habe eigentlich ein gutes Verhältnis zu ihm.

"Wir versuchen alles, damit er in der Klasse bleibt"

„Wir versuchen alles, damit er in der Klasse bleibt“, sagt Jehniche, „und dass er sich mit seinem Verhalten nicht selber im Weg steht.“ Niemand aus der Elternschaft habe gefordert, den Jungen von der Schule zu nehmen. Auch die bedrohte Lehrerin, sagt Jehniche, habe keine Angst vor körperlicher Bedrohung.

Aber auf anderer Ebene müsse der Vorfall natürlich tiefergehend aufgeklärt werden. „Wir müssen herausfinden, ob der Junge den Satz nur nachgeplappert oder ob er da schon ein Stück der Denkweise aufgenommen hat“, sagt Jehniche. Und vor allem: Wo hat er den Satz gehört? Das ist unter anderem eine Aufgabe für die Psychologin an der Schule.

Jede Woche findet nun ein Gespräch von Schulpsychologin, Klassenlehrerin und der Mutter des Jungen statt, bei Bedarf kommt der Elfjährige dazu. Der führt auf jeden Fall aber noch wöchentlich ein Einzelgespräch mit einem Sozialarbeiter und der Psychologin.

Das Jugendamt und das LKA sind eingeschaltet

Das Jugendamt ist eingeschaltet, es lotet den Bedarf der Familie aus; die operative Gruppe Jugendgewalt des Landeskriminalamts möchte über die weitere Entwicklung informiert werden, und natürlich ist Jehniche in engen Kontakt mit der Schulaufsicht. Die Schulleiterin hatte auch, vorschriftsgemäß, eine Gewaltvorfall-Meldung an Jugend- und Bezirksamt sowie an die Schulaufsicht geschrieben. Beim LKA werde über den Jungen eine Akte angelegt, sagt Jehniche.

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Das Integrationsprojekt „meet2respect“, das ohnehin zweimal jährlich an der Schule arbeitet, wird auf Wunsch des Lehrerkollegiums einen Studientag abhalten. „Da lernen wir besser, wie man mit Religionen umgeht“, sagt Jehniche.

Der Ramadan ist ständig Thema

Permanentes Thema ist der Ramadan. Die Lehrkräfte können nicht verantworten, dass Jungen und Mädchen ohne etwas zu essen oder zu trinken in der Schule sitzen. Doch viele Eltern erklärten, die Kinder machten dies freiwillig. Bei „meet2respect“ arbeitet auch der Imam Ender Cetin, er hatte schon kurz nach der Morddrohung mit dem Jungen gesprochen. Auch die Beratungs- und Fortbildungsstelle für weltanschauliche und religiöse Vielfalt hat ihre Hilfe angeboten. Das Thema bleibt im Blickpunkt: In Spandau ist ein Runder Tisch geplant, mit Schulaufsicht, Bezirkspolitikern, Lehrern und Schulleitern.

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