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Berlin: Nur für Fußball-Finalisten

Der Senat will keine dreiwöchige EM-Meile im Tiergarten – und verärgert nicht nur die Tourismusbranche

Die Kneipen der Stadt wurden am Samstagabend wieder zum Fanblock. Tausende Berliner haben sich das Fußball- Länderspiel der Nationalmannschaft angeschaut, schön beim kühlen Pils und vor allem: in geselliger Runde. Wo sie aber im Sommer die Fußball-EM schauen können, darüber wird nun heftig gestritten.

„Das Fanfest könnte doch auf dem großen Platz vor dem Olympiastadion stattfinden“, schlägt jetzt Manuela Damianakis vor, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der wurde zur WM 2006 saniert und sei perfekt an das Netz der U- und S-Bahn angebunden. Und das Stadion nebenan locke bestimmt die Fans an. Oder etwa nicht?

Immerhin, es ist der erste Alternativvorschlag, der aus Senatskreisen geäußert wird. In der vergangenen Woche hatte sich Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach einer Senatssitzung gegen eine Wiederauflage der WM-Fanmeile im Tiergarten ausgesprochen; der Senat könne sich derzeit nur vorstellen, für die EM-Halbfinalspiele und für das Endspiel die Straße des 17. Juni zu sperren – eine Woche. Allerdings, so Wowereit, müsse ja nicht immer vor dem Brandenburger Tor gefeiert werden.

Von den 31 EM-Spielen im Juni kommenden Jahres könnten die Berliner nach Senatsplänen also drei auf der Straße des 17. Juni sehen. „Das ist aus unserer Sicht bisher der vernünftigste Plan“, sagt Damianakis. Sie betonte allerdings, dass es „einen Verhandlungsspielraum“ gebe und die Senatspläne nicht als „grundsätzliche Absage“ zu verstehen seien.

Im Senat gibt es ernsthafte Bedenken, dass die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni nicht so populär sein könnte wie im Sommer 2006. Die Europameisterschaft finde schließlich in der Schweiz und Österreich statt; zudem gebe es nur zwei statt drei Spiele am Tag – und auch erst ab den frühen Abendstunden. Wenn die Ost-West-Achse tagsüber leer, aber gesperrt sei, könne das für Unverständnis bei Autofahrern sorgen, hieß es.

Wirtschaftsvertreter und Tourismusexperten widersprechen. Berlins oberster Tourismuswerber Hanns Peter Nerger von der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) schimpft: „Der Senat lässt Unternehmer hängen, die zu Investitionen bereit sind.“ Er sei sicher, dass nicht nur Berliner, sondern auch Ausländer – angelockt durch die noch frischen WM-Bilder – Lust auf das neue, fröhliche Berlin hätten. „Die Leute kommen nicht allein wegen der Fanmeile, sondern weil in Berlin immer was los ist“, sagte Nerger. Ein zentrales Fanfest sei wichtig. Als Alternative schlug er spontan das Olympiastadion vor – doch Stadionmanager Peter von Löbbecke lehnt ab: „Wir erstellen selber Planungen für einen EM-Auftakt“, sagte er, „etwa für das erste Spiel der Deutschen.“ Drei Wochen könne er das Olympiastadion eh nicht als Partyarena reservieren, denn das Stadion sei bereits an einigen Tagen von Firmen gebucht.

Willy Kausch, der die jährliche Silvesterfeier am Brandenburger Tor organisiert und die WM-Meile fünf Wochen lang veranstaltete, möchte das Fest vor dem Brandenburger Tor ausrichten. Und er glaubt die Mehrheit der Berliner hinter sich; auch rechnet er mit einem „großen Interesse der Touristen“. Der Senat plane an den Wünschen der Zuschauer vorbei, sagt er. „Der Fußball ist raus aus seiner muffigen Männernische“, sagt Kausch. „Gemeinsames Fußballgucken ist modern.“ Fußballfeste gehörten zu einer „neuen Eventkultur, die eine Stadt wie Berlin attraktiv macht“. Ähnlich beliebte Partys unter freiem Himmel seien die Love Parade gewesen und auch die Silvesterfeier am Brandenburger Tor.

Vor allem Tagestouristen aus den Städten nahe Berlins würden anreisen, glaubt Kausch; der späte Anstoß – das erste Spiel wird um 18 Uhr angepfiffen, das zweite um 20.45 Uhr – sei zudem für viele attraktiver: „Anders als bei der WM können die Leute tagsüber die Stadt erkunden oder arbeiten und abends zum zentralen Fanfest pilgern.“ Bei der WM begannen die Spiele am frühen Nachmittag. Die Kollektivparty an der frischen Luft hat zudem noch einen Vorteil: Wer will schon im Hochsommer in einer muffigen Eckpinte sitzen, zumal das Rauchen dann noch halblegal sein wird, weil Wirte bis 1. August nur ermahnt werden?

Alternativen sieht Kausch keine. Weder das Olympiastadion („nicht städtisch“) noch den Festplatz Tegel („gruselig“) und auch nicht den Spreebogenpark („mit einer Kapazität von 20 000 Leuten zu klein“). Die einzige Alternative, die Kausch „genial“ findet, steht im Sommer nicht zur Verfügung: „Ein Fanfest im Hochsommer auf dem Flughafen Tempelhof wäre super.“ Das werde man 2010 in Angriff nehmen, wenn die WM in Südafrika stattfindet. Jetzt brauche man eine kluge Idee für diesen Sommer. Er ist sicher, dass drei Fußballtage nicht zu finanzieren seien. „Mein Bauchgefühl sagt mir: Das funktioniert nicht.“

André Görke

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