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Mehrere Kleidungsschichten und eine selbst gebaute Gasheizung sind Günther Z.s Waffe gegen die Kälte.

© Markus Langenstraß

Obdachlos in Berlin: Überleben in der Berliner Wildnis

Der Rentner Günther Z. wohnt seit 1996 im Fritz-Schloss-Park in Moabit. Viele Anwohner sind entsetzt. Doch es handelt sich nicht um einen Einzelfall.

„Da kommt ja einer raus!“ Ingrid B. steht der Schreck ins Gesicht geschrieben, als sie auf den dürren Mann im fleckigen Pullover deutet, der aus einem niedrigen Verschlag aus Brettern, Ästen, Plastik und Teppichfetzen gekrochen kommt. Dann stehen sich die 75-jährige Ur-Moabiterin und der 71-jährige Günther Z., der hier seit 1996 lebt, gegenüber. Betroffenes Schweigen. Seit Jahren geht Ingrid B. zum Einkaufen durch den Fritz- Schloss-Park und kommt, ohne es zu wissen, an Z.s Behausung vorbei. „Ich dachte, da hätte jemand illegal Müll abgeladen“, sagt sie.

Bekannt wurde Günther Z.s Leben im Park durch eine Polizeimeldung vom Sonntag: Jugendliche hatten mit Steinen und Ästen nach dem Rentner geworfen. Ein Passant griff ein und rief die Polizei.

Günther Z. lebt hier, nur wenige Meter entfernt vom Amtsgericht Tiergarten, weitgehend unbemerkt. Seit 16 Wintern, von denen viele kälter waren als dieser. „Schnee isoliert ziemlich gut“, sagt er leise. Außerdem habe er sich mit einer Gasflasche eine Heizung gebaut.

Einst habe er als Maler gearbeitet, erzählt Günther Z. Er lebte mit Frau und Sohn in einer kleinen Wohnung in der Rathenower Straße in Moabit. Seine Frau habe große Schulden gemacht, sagt er, und getrunken. Irgendwann reichte er die Scheidung ein. „Ich wollte nicht mehr neben einer Schnapsflasche schlafen gehen.“ Günther Z. baute sich also 500 Meter von der Wohnung entfernt einen Bretterverschlag ins Unterholz des Parks. Seitdem verbringt er hier seine Tage: Liest Krimis und Actionromane im Schein einer Taschenlampe. Ein batteriebetriebenes Radio gibt es auch. Z. erhält eine kleine Rente; ab und zu kommt sein Sohn vorbei. Der habe sich mit dem Wohnort des Vaters abgefunden. Warum er nicht zum Sohn zieht? „Familie, da bin ich gar nicht gut drin“, sagt Günther Z. „Hier kann ich tun und lassen, was ich will.“

„Wer draußen wohnt, will oft keine Spuren hinterlassen“, sagt Ortrud Wohlwend, Sprecherin der Berliner Stadtmission. „Seine Lebensumstände werden meist erst dann bekannt, wenn er angegriffen wird.“ Mit dem Kältebus will die Stadtmission jeden Winter auch denen helfen, die sich schwer tun, Hilfe anzunehmen. Der Fall des Günther Z. ist laut Wohlwend nicht ungewöhnlich. Der Kältebus halte bei 20 bis 30 Personen pro Nacht, die in Berlin draußen leben. In einem Fall habe sich ein Mann 30 Jahre lang an einer abgelegenen Stelle im Grunewald eingerichtet. „Diese Menschen haben mit der Gesellschaft gebrochen.“

In einer Einrichtung für Obdachlose zu übernachten, ist für Günther Z. ausgeschlossen. Da rieche es nach Schnaps, sagt er. Aber die Angriffe auf ihn haben zugenommen, vor vier Wochen versuchten Jugendliche, seine Behausung anzuzünden. „Ich habe eine Wohnung hier in der Nähe in Aussicht“, sagt Günther Z. Es ist schwer zu sagen, ob er sich darüber freut. Vertrieben wird er aber zunächst wohl nicht aus dem Park. Das Wohnen in öffentlichen Parks ist nicht ausdrücklich verboten. „Außerdem würde die Versorgung Geld kosten“, sagt Wohlwend. "Und das ist nicht im Interesse der Bezirksämter.“

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