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Hereinspaziert in die gute Stube. Dominic Graßhoff hat die Weddinger Wohnung organisiert. Die Kleidung aus den Kartons wird an Bedürftige verteilt. 

© Doris Spiekermann-Klaas

Obdachlosenhilfe: Wärme in der Facebook-Wohnung

Eine Internetinitiative mit 1000 Mitgliedern hat in Wedding eine kostenlose Unterkunft für Obdachlose organisiert. Inzwischen unterstützen auch prominente Paten das Projekt und geben am 28. Januar ein Charity-Konzert.

Die Sozialwohnung in Wedding hat keinen Herd und keinen Fußbodenbelag, dafür kostet sie pro Quadratmeter aber auch nur einen Euro Kaltmiete. Das eine Zimmer steht voller Kartons mit gespendeter Kleidung, Schuhen, Handtüchern und Schlafsäcken, in den drei anderen befinden sich ein kleiner Heizlüfter, Matratzen und einige Habseligkeiten. In den Räumen schlafen Ismail und drei weitere Obdachlose. Ismail wohnt seit Weihnachten hier. Hätte sich nicht gerade die Kälte-Nothilfe „Wärme mit Herz“ im Internet gegründet, würde der 45-Jährige wohl noch immer in einer zugigen Hausecke auf kaltem Boden übernachten.

„Ich bin Heiligabend mit Decken und einer heißen Suppe durch die Stadt gezogen und habe nach Menschen gesucht, denen ich helfen kann“, erzählt Zoltan-Dominic Graßhoff, der Gründer der Facebook-Initiative, die bereits mehr als 1000 Mitglieder hat. Am Alexanderplatz trifft der 35-Jährige auf Ismail. Der hat seit zwei Wochen keine Bleibe und noch viel länger keinen Pass mehr, und Graßhoff bringt Ismail als ersten Bewohner in die gerade angemietete Wohnung in der Sprengelstraße. „Ich bin froh, vor allem, weil man mir hier auch helfen will, wieder einen Ausweis und die Grundsicherung zu bekommen“, sagt Ismail, der früher mal als Metallfacharbeiter gearbeitet hat, Veganer ist und weder raucht noch trinkt.

„Natürlich ist es angenehm, solch pflegeleichte Fälle unterzubringen, aber wir würden auch keinen Junkie oder Alkoholiker abweisen“, sagt Graßhoff. In der Hand hält er sein Handy, das immer wieder klingelt – es gibt jede Menge zu organisieren. Graßhoff bezeichnet sich selbst als jemand, „dem schnell langweilig wird und der Projekte am liebsten nur anschiebt“. Der ehemalige Mitarbeiter einer Fernsehproduktionsfirma und „freiberufliche Pokerlehrer“ (Zitat Graßhoff) hat früher mal im Georg-von-Rauch-Haus am Kreuzberger Mariannenplatz gewohnt und will irgendwann ein autarkes Dorf in Südspanien gründen. Rund 50 aktive Helfer und etliche Sachspenden konnte Graßhoff schon akquirieren. Mittlerweile gehören Nina Hagen, Dr. Motte sowie Knorkator-Sänger Gero Ivers alias Stumpen und Bandgitarrist Sebastian Baur alias Buzz Dee zu den Unterstützern. Sie alle treten am 28. Januar bei einer Charity-Party im noblen Asphalt-Club unter dem Hilton-Hotel auf.

Angefangen hat alles ganz klein, mit einer obdachlosen Frau, die Graßhoff am ersten Dezember aus Mitleid zwar nicht in seiner Wohnung, aber in seinem Hausflur schlafen ließ. „Am nächsten Morgen war sie fort, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr nicht mehr Vertrauen entgegengebracht habe“, erzählt er. Kurzerhand gründet er die Facebook-Initiative, es finden sich erste Freiwillige und Spender, abends suchen sie am Alexanderplatz, Bahnhof Zoo oder an der Turmstraße nach bedürftigen Menschen. 11 000 Wohnungslose sollen in Berlin leben, und nur 350 Schlafplätze in Notunterkünften gibt es. Daher mieten Graßhoff und sein Team kurzerhand eine Sozialwohnung in Wedding – zunächst allerdings nur für Januar, da die Hausverwaltung die Entwicklungen des Projekts erst einmal beobachten will. Wenn der Zuspruch weiter anhält und sich noch mehr Freiwillige finden, hat Graßhoff Größeres vor.

Dann möchte er eine Fabriketage mieten, die Unterkunftsmöglichkeit, Versorgungsstation und Organisationsbüro in einem ist. Und er hat die Idee, in leer stehenden Sozialwohnungen betreute Obdachlosen-WGs zu gründen. Zurzeit werden Paten für jeden Obdachlosen gesucht. Das nächste Ziel ist jedoch erst mal, nach dem Vorbild in der Sprengelstraße eine Wärmestube für Frauen einzurichten.

Die Charity-Party findet statt am 28. Januar ab 20 Uhr mit Dr. Motte, Nina Hagen und „2/3 Knorkator“ im Asphalt-Club im Hilton-Hotel, Mohrenstraße 30 in Mitte. Eintrittskarten gibt es für 18 Euro. Weitere Informationen unter der Adresse www.initiative-berlin.de und www.facebook.com/nothilfe.

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