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Das Essen steht bereit auf einem Tisch in einer Einrichtung der Kältehilfe in der Seestraße.

© Maurizio Gambarini/dpa

Obdachlosigkeit in Berlin: Die meisten Kältehilfe-Einrichtungen schließen Ende des Monats

Bilanz der Kältehilfe: Diesen Winter gab es so viele Plätze wie noch nie. Das Problem der Obdachlosigkeit können sie laut Caritas und Diakonie nicht lösen.

In der Nähe des luxuriösen Spas "Vabali" am Hauptbahnhof liegt die "Neue Chance", eine von rund 40 Einrichtungen der Berliner Kältehilfe. Ein heruntergekommenes Gebäude, das an amerikanische Motels erinnert. Wasserflecken an der Decke, Linoleumboden oder fleckiger Teppich, es riecht muffig. Aber es reicht, um Wohnungslose vor dem Erfrierungstod zu retten – zumindest 37 von ihnen, zumindest noch bis Ende März. Dann wird die "Neue Chance" geschlossen, der Mietvertrag läuft aus, die Saison ist vorbei.

Zum Ende der Saison der Berliner Kältehilfe haben Diakonie und Caritas am Donnerstag auf einer Pressekonferenz Bilanz gezogen. 1264 Plätze konnten für die vergangenen Monate geschaffen werden, wieder sind es so viele wie noch nie. Letztes Jahr waren es 965 Schlafplätze, vor vier Jahren gerade mal 500. Ein Erfolg mit bitterem Beigeschmack: „Kältehilfe ist keine Lösung, Kältehilfe ist ein Notstopfen“, sagt Diakonie-Direktorin Barbara Eschen. Das größte Problem sei, dass die Kältehilfe nur Überlebensschutz bieten könne und diesen auch nur für einen Teil der Berliner Wohnungslosen: Nach Schätzungen leben 4000 bis 6000 Menschen ohne festen Wohnsitz in der Stadt.

Viele Obdachlose sind in einem schlechten gesundheitlichen Zustand

„Die Menschen können ab 19 Uhr in die Notunterkünfte, am frühen Morgen müssen sie wieder nach draußen – egal wie das Wetter ist“, sagt Eschen. Es gebe keine Möglichkeit, dauerhafte qualifizierte Beratung zu leisten oder Erkrankungen zu behandeln. Auffällig viele Obdachlose seien in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand. Die Menschen haben chronische Krankheiten, die nicht behandelt werden, weil sie im medizinischen Sinne kein Notfall sind. „Dies ist kein Gesundheitsrisiko, sondern ein Sterberisiko“, sagt Ulrike Kostka, Direktorin der Caritas.

Eine besonders gefährdete Gruppe seien die Rollstuhlfahrer, auf ihre Bedürfnisse sei man in den Notunterkünften nicht vorbereitet. Und die Not wächst: Waren es 2016 noch 20 Rollstuhlfahrer, die das Angebot der Kältehilfe nutzten, zählt die Caritas in der vergangenen Saison 35. Trotzdem ist im Februar ein obdachloser Rollstuhlfahrer am Hackeschen Markt erfroren. Mit dem 31. März endet die Saison der Berliner Kältehilfe, trotz erneutem Wintereinbruch über Ostern mit Temperaturen um Null Grad in der Nacht. Einige Unterkünfte werden dennoch bis Ende April offen bleiben. „Es sind nur 500 Plätze, aber es beruhigt uns zumindest etwas“, sagt Barbara Eschen.

Unterkünfte waren zu 86 Prozent ausgelastet

Dass das nicht reichen wird, dürfte jetzt schon klar sein. Im vergangenen Winter waren die Unterkünfte insgesamt zwar durchschnittlich nur zu 86 Prozent ausgelastet, aber gerade in der Innenstadt klagen die Mitarbeiter über viel zu hohen Andrang. Das Abgeordnetenhaus ist sich dessen bewusst und hat knapp vier Millionen Euro für die Notunterkünfte und Straßensozialarbeit zur Verfügung gestellt. Das löst aber nicht das Problem: „Es gibt keine Räume, da ist nichts zu machen.“ Eschen lobte auch die erste Strategiekonferenz Wohnungslosenhilfe, initiiert von der Senatorin Elke Breitenbach, doch: „Ohne ausreichende neue Wohnungen werden wir die Probleme in dieser Stadt nicht lösen können.“

Etwas erfreuliches gibt es dennoch: In Berlin gibt es eine Krankenwohnung mit 15 Plätzen, die es Obdachlosen ermöglicht ihre Erkrankungen in Ruhe auszukurieren. Trotzdem hofft Ulrike Kostka von der Caritas auf weitere solcher Projekte: „Andere Städte zeigen, dass sich das Konzept bewährt.“

Julia Kopatzki

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