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Das Bewerbungsprozedere an Oberstufenzentren wie der Hans-Böckler-Schule in Kreuzberg ist seit kurzem mehr als undurchsichtig.

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Oberstufenzentren in Berlin: Neues Bewerbungsverfahren stiftet Verwirrung

Schüler für Oberstufenzentren müssen sich neuerdings zentral bewerben. Das ist aber gar nicht so leicht, denn das Formular ist nicht zu finden und genaue Informationen zum Prozedere gibt es ebenfalls nicht. Klagebericht einer Mutter.

Von Antje Sirleschtov

Kein Abschluss ohne Anschluss. So lautet der Anspruch des Senats, wenn es um die berufliche Zukunft der Schulabgänger geht. Das klingt gut, macht Mut. Zehntklässler sind ja nicht immer motiviert, manche schulmüde. Da ist es gut, wenn ihnen und den Eltern klar und verständlich Hilfe angeboten wird. Damit keiner im Herbst auf der Straße steht.

Die Praxis sieht in Berlin ganz anders aus. Nehmen wir eine x-beliebige Schülerin der 10. Klasse einer Sekundarschule, die ab kommendem Schuljahr auf einem Oberstufenzentrum (OSZ) eine zweijährige Fachoberschule besuchen will, um dann eine Ausbildung zur Erzieherin zu absolvieren. Das Angebot solcher Oberstufenzentren in Berlin ist in Ordnung, deren Auftritte im Internet sind einladend – und wenn man davon absieht, dass das Land auf Angebote kirchlicher oder privater Anbieter aus wahrscheinlich rechtlichen Gründen nirgendwo hinweist, sollte es einer 16-Jährigen möglich sein, sich mit Unterstützung der Eltern erfolgreich auf den Berufsbildungsweg zu machen.

Die Schülerin hält also seit Anfang Februar ihr Halbjahreszeugnis in der Hand, hat Lebenslauf und Passbilder besorgt und die „Tage der offenen Tür“ aller infrage kommenden Schulen im Februar besucht. Bis hierhin alles richtig gemacht! Aber: Halt, was ist das?

Verwirrung um den "Leitbogen"

Zufällig erwischen die Schülerin und ihre Eltern bei der Recherche der Schuladressen einen Hinweis auf einen „Anmelde- und Leitbogen“. Die Eltern wissen damit nichts anzufangen, die Schulleitung auch nicht und selbst die Berufsberaterin, die seit Monaten in der Schule bei der Orientierung hilft, kennt den Bogen nicht.

Der Hinweis auf den „Leitbogen“ führt auf die Seite www.wege-zum-beruf.de, ein Portal des Senats. Dort soll man sich registrieren und einen Bogen herunterladen. Bei nicht berufsbildungsvorgebildeten Schülern und Eltern keimt dabei die Hoffnung, dass man auf der Senats-Internetseite rasch Aufklärung erhalten wird. Aber: Registrieren? Geht nicht. Erklärungen zum Sinn des Bogens? Fehlanzeige.

Zwischenergebnis für die Schulabgänger: Wer hartnäckig ist und einigermaßen gebildete Eltern hat, der wird sich beim Senat, dem Schulamt oder sonst wo im Behördendschungel darüber informieren, was es mit dem Leitbogen auf sich hat. Wer nicht die Kraft dazu hat, der wird spätestens jetzt aufgeben. Wie lautete das Motto: Kein Abschluss ohne Anschluss?

Und hier folgt die Auflösung für alle, die nicht aufgeben wollen (nach mehreren Telefonaten mit verschiedenen Schulen, Senatsmitarbeitern und mehrstündiger Recherche im Internet): Weil der Schulverwaltung aufgefallen ist, dass sich alle Interessenten für berufsqualifizierende Schulen jedes Jahr an allen Schulen bewerben und das zu hunderten Mehrfachbewerbungen führt und das Chaos bis zum Sommer nicht aufzulösen ist, weshalb mancher Schüler erst drei Tage vor dem Schulbeginn im September weiß, ob und wo er seine Berufsausbildung beginnen kann, hat der Senat nun reagiert. Mit der „Verwaltungsvorschrift Schule Nr. 2/2014“ hat er beschlossen, dass sich alle Schüler ab diesem Jahr mit einem „Anmelde- und Leitbogen“ bewerben und ihre Unterlagen nur an der von ihnen priorisierten Schule abgeben sollen. Das klingt gut, kommt aber leider zu spät.

Senat weis Schuld von sich

Die Vorschrift stammt von Anfang Januar, derzeit werden die Schulen informiert. Leider hat aber die Bewerbungszeit längst begonnen und einige Oberstufenzentren weisen auch im Internet darauf hin, möglichst rasch die Unterlagen abzugeben, damit man einen Platz bekommt.

Die Info über das neue Bewerbungssystem hat längst nicht alle Schulen erreicht. Von Schülern und Eltern ganz abgesehen. „Kann sein“, heißt es bei der Senatsschulverwaltung. Man habe „alles getan, was möglich ist in der kurzen Zeit“. Auch die fehlende Freischaltung des Portals, um den Leitbogen herunterzuladen, werde bald passieren, verspricht der freundliche verantwortliche Mitarbeiter. Man habe bis vor kurzem „technische Schwierigkeiten“ gehabt. Dass die Oberstufenzentren auf ihren Portalen bis heute nur spärlich oder gar nicht auf die Notwendigkeit des Leitbogens hinweisen und offenbar noch nicht mitbekommen haben, dass die Anmeldefristen in diesem Jahr vom 15. Mai auf den 28. Mai verlängert wurden, das kann sich der Senat nicht erklären. „Wir sind daran nicht schuld“, heißt es.

Zuständigkeit unklar

Und die Oberstufenzentren? „Na ja“, heißt es dort. Das System sei eben neu; alle müssten sich erst daran gewöhnen. Die Auskunft der Senatsverwaltung, Schüler sollten den Leitbogen auf der Internetseite herunterladen und sich zusätzlich bei ihrer Wunschschule und den Alternativschulen elektronisch registrieren, wird allerdings an den OSZ nicht bestätigt. Die elektronische Anmeldung, so habe man die Verwaltungsvorschrift verstanden, sollten die Sekundarschulen erledigen, die Klassenlehrer der abgehenden Schüler. Und wenn die vom neuen Verfahren noch nichts wissen? „Tja, keine Ahnung.“

Lieber Klaus Wowereit, liebe Senatsbildungsverwaltung: Bitte machen Sie sich keine Sorgen! Wir Eltern in Berlin haben für unsere Kinder einen Kitaplatz erkämpft, wir haben später für einen Grundschulplatz in Wohnortnähe gestritten und jahrelang die Schule gereinigt und renoviert. Als unsere Kinder größer wurden, haben wir um weiterführende Schulplätze gerungen und ihnen erklärt, dass man seinen Namen manchmal in eine Lostrommel werfen muss, um einen Platz an einem bestimmten Gymnasium zu bekommen. Wir haben das alles geschafft. Nun werden wir auch die Zugangshürde, die Sie sich in diesem Jahr bei der Berufsbildung ausgedacht haben, überwinden. Kein Abschluss ohne Anschluss? Wir helfen gern.

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