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Berlin: Öcalan – ein Staatsgründer?

Der Sender Sat 1 hat mit seiner „Quizshow“ Türken verärgert

Von Suzan Gülfirat

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Eine Geschichte in der Boulevardzeitung Hürriyet fiel in der vergangenen Woche besonders auf. Christian Clerici, Moderator der Sat-1-Sendung „Die Quizshow“, war gleich zwei Mal der Aufmacher der Europa-Beilage dieser Zeitung. Denn in der Sendung am 26. Juni kam eine Frage vor, die die Hürriyet-Leser auf die Palme gebracht haben soll. „Wer ist der Gründer der modernen Türkei?“ Der Kandidat dieser Quizrunde hatte folgende Antworten zur Wahl: Yildiray Bastürk, Kemal Atatürk , Bülent Ecevit, Tansu Ciller, Andreas Türck und Abdullah Öcalan. Der eine oder andere Leser wird jetzt vielleicht erahnen, wo der Hund bei dieser Geschichte begraben liegt. „In der von Christian Clerici präsentierten Sendung wurde als Antwortmöglichkeit auch der Führer der PKK, Abdullah Öcalan, genannt“, berichtete die Zeitung am Mittwoch empört. Nach dieser Sendung hätten zahlreiche Türken bei der Hürriyet angerufen und heftig protestiert. „Die Verantwortlichen (…) haben unsere Fragen beantwortet und sich entschuldigt“, schrieb die Hürriyet. Deshalb lautete die Überschrift zu diesem Text: „Entschuldigung für TV–Schande“. Dazu zeigte das Blatt Moderator Christian Clerici– im Studio vor dem Logo der Sendung –in Großaufnahme. Auf der Titelseite in der Ankündigung für die Geschichte auf der 13. Seite hieß es jedoch: „Für diese Anstandlosigkeit reicht eine Entschuldigung nicht aus.“ Doch damit nicht genug. Der türkische Botschafter hat außerdem an den Senderchef Martin Hoffmann und an den Sat-1-Chefredakteur, Jörg Howe, einen Protest-Brief geschrieben. Deshalb erschien Moderator Christian Clerici am Freitag noch einmal auf die Titelseite der Europa-Beilage – zusammen mit dem Botschafter. Wenigstens hatte der Kandidat aus Niedersachsen die Frage richtig beantwortet: Kemal Atatürk.

Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir geriet wegen dieser Geschichte nicht in Vergessenheit. Der türkischstämmige Politiker war vor zehn Tagen wegen seines umstritten Hunzinger-Kredites und der Bonusmeilen-Affäre von seinem Posten als innenpolitischer Sprecher der Grünen zurückgetreten. Auch in der vergangenen Woche war er jeden Tag in den türkischen Zeitungen präsent. Am Dienstag berichtete die Hürriyet sogar „exclusiv“, was ein Politiker, der die Grünen sehr gut kennen und anonym bleiben wolle, der Hürriyet anvertraut haben soll. Der Bundesvorsitzende Fritz Kuhn und Fraktionschef Rezzo Schlauch hätten Özdemir mit einem Versprechen zum Rücktritt bewogen: „Warte eine Weile, bis die Öffentlichkeit sich beruhigt hat. Dann finden wir einen anderen Posten für dich.“ In der Hürriyet klang das beinahe wie eine Drohung.

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