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Öffentlicher Dienst: "Das Maß ist voll"

Die Tarifgespräche sind bisher gescheitert, weil es unter den knapp 12.000 Beschäftigen der BVG eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Altbeschäftigte wollen jetzt einen Ausgleich für den jahrelangen Verzicht auf höhere Einkommen.

Selten waren Tarifverhandlungen so verzwickt wie jetzt bei der BVG. Gescheitert sind die Gespräche bisher, weil es unter den knapp 12.000 Beschäftigen der BVG eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Gut tausend Mitarbeiter erhalten erheblich weniger Geld als die große Mehrheit. Im Herbst 2005 hat Verdi einem neuen Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) zugestimmt, der drastische Kürzungen bei den Einkommen vorsah. Nach diesen Vorgaben werden seither neu eingestellte Mitarbeiter bezahlt. Bei den Altbeschäftigten dagegen gleicht die BVG die Differenz zwischen dem früheren Einkommen und dem niedrigeren Tarifentgelt aus. Diese übertarifliche Zulage wird „Sicherungsbetrag“ genannt. Fast 105 Millionen Euro gibt die BVG dafür in diesem Jahr aus.

Die Gewerkschaft Verdi fordert, die damals gesenkten Tarifeinkommen jetzt um zwölf Prozent zu erhöhen, mindestens aber um 250 Euro. Die Arbeitgeber haben eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro sowie sechs Prozent mehr Geld stufenweise bis 2010 angeboten. Bei den Altbeschäftigten wollen die Arbeitgeber die Erhöhung jedoch mit dem Sicherungsbetrag verrechnen; am Ende hätten dann die mehr als 10 000 betroffenen Mitarbeiter keinen Cent mehr auf dem Konto.

Das will Verdi nicht akzeptieren und beruft sich dabei auf den Tarifvertrag, in dem es heißt, dass der Sicherungsbetrag auch bei Tariferhöhungen in voller Höhe erhalten bleibt. Der BVG-Vorstand verweist dagegen auf eine handschriftliche Zusatzvereinbarung, abgezeichnet unter anderem von Verdi-Chef Frank Bsirske und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der Aufsichtsratschef bei der BVG ist, wonach Alt- und Neubeschäftigte bei künftigen Tariferhöhungen unterschiedlich behandelt werden können.

Die Altbeschäftigten hätten 2005 dem neuen Vertrag nur „mit großen Kopfschmerzen“ zugestimmt, sagt ein Busfahrer, der sei über 27 Jahren „auf dem Bock“ sitzt, dem Tagesspiegel. Sonst hätten Massenentlassungen bei der BVG gedroht. Jetzt hätten aber auch die Altbeschäftigten ein Recht auf höhere Einkommen, weil sie in den vergangenen Jahren erhebliche Lohnverzichte akzeptieren mussten. 2005 wurde bei ihnen die Arbeitszeit gesenkt und das Einkommen entsprechend um 6,41 Prozent reduziert. Gestrichen wurde aber auch das Urlaubsgeld, das Weihnachtsgeld ist seither auf 1000 Euro gedeckelt, die Vergütung bei Nachtzuschlägen für Fahrer wurde gesenkt, Pausenzeiten reduziert. Zudem müssten die Fahrer jetzt ihre Dienstkleidung selbst beschaffen, obwohl sie verpflichtet seien, eine zu tragen. An ein weiteres Nachgeben sei nun nicht mehr zu denken. „Das Maß ist voll“, findet der Busfahrer.

Bei der Urabstimmung zu einem unbefristeten Streik in der vergangenen Woche hatten sich fast 97 Prozent der Teilnehmer dafür ausgesprochen. Über 96 Prozent der mehr als 7000 Verdi-Mitglieder bei der BVG hatten ihre Stimme abgegeben – weit mehr, als Verdi nach Angaben von Verhandlungsführer Frank Bäsler erwartet hatte. Dies sei ein Zeichen dafür, dass der Betrieb nicht gespalten sei. Alle Beschäftigten seien sich einig, dass es für alle mehr Geld geben müsse. Klaus Kurpjuweit

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