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Das würde Frau Koppers vielleicht gefallen...

© imago/Ralph Peters

Öffentlicher Nahverkehr: Soll Schwarzfahren straffrei werden?

Mal wieder wird diskutiert, welche Folgen das Fahren ohne Ticket haben sollte. Es ist alles gesagt. Und jetzt?

Von Fatina Keilani

Schwarzfahrer belasten die Justiz. Rund 40 000 Verfahren finden dort jährlich wegen Beförderungserschleichung statt, in der Regel kommt eine Geldstrafe dabei heraus. Wer sie nicht zahlen kann und nicht abarbeiten will, muss eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. In Berlins Gefängnissen sitzen ständig hunderte Schwarzfahrer, wenn auch zumeist nur ein paar Wochen.

Aus dieser Lage lassen sich Schlüsse ziehen – umstritten ist jedoch, welche. Wenn die Justiz überlastet ist, muss man sie personell aufstocken, sagen die einen, zum Beispiel die CDU. Keinesfalls könne es angehen, dass man ein Strafgesetz hat, es aber nicht durchsetzt.

Entsprechend ablehnend reagierte die CDU auf den kürzlich gemachten Vorstoß von Generalstaatsanwältin Margarete Koppers, der darauf zielte, das Schwarzfahren, offiziell „Erschleichen von Leistungen“, zu entkriminalisieren. Doch während die meisten, die sich für eine Entkriminalisierung aussprechen, für die Herabstufung der Tat zur Ordnungswidrigkeit sind, geht Koppers einen Schritt weiter. Nur die komplette Straffreiheit biete eine Entlastung der Justiz. Da das Strafgesetzbuch ein Bundesgesetz ist, kann es nur vom Bundestag geändert werden. Hier stellt sich eher die Systemfrage, denn Ziel von Gesetzgebung kann nicht die Entlastung der Justiz sein.

Schwarzfahrer sind teuer für alle - oder noch teurer

Zudem protestieren die ehrlichen Fahrgäste. Wozu sollten sie sich eine Karte kaufen, wenn Schwarzfahren ohnehin kleine Folgen hat? Außerdem kämen dann die ehrlichen Fahrgäste für die Rechtsbrecher mit auf, das sei verfehlt und zudem teuer. Gedanklich greift das zu kurz, denn teurer für die Gesellschaft ist es freilich, den zahlungsunfähigen Schwarzfahrer in Haft zu nehmen. Jeder Haftplatz kostet 150 Euro pro Tag, und bis zum Urteil sind Staatsanwalt und Gericht beschäftigt und können sich nicht mit Wichtigerem befassen. Ähnlich wie die leichte Drogenkriminalität bindet auch das Schwarzfahren viele Kräfte.

Die Systemfrage ist von der Politik zu entscheiden. Die Mehrheit der Entkriminalisierer will Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit einstufen, etwa Grüne und Linke. Dann gäbe es eine Geldbuße. In Berlin haben sich auch Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) dafür ausgesprochen. Jedoch: Auch die Geldbuße muss bezahlt werden.

Als Ordnungswidrigkeit macht es genauso viel Arbeit

Geschieht dies nicht, droht Erzwingungshaft. So gesehen ist die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit vielleicht nicht einmal milder: Wer in Ersatzhaft war, ist seine Schulden los. Wer nach einer Geldbuße in Erzwingungshaft war, hat seine Schulden hinterher immer noch. Und die Vollstreckung bindet Kräfte. Sozialer ist die Geldbuße auch nicht, denn ihre Höhe richtet sich nicht nach dem Einkommen wie im Strafrecht die Höhe einer Geldstrafe.

Berlin steht mit dem Problem nicht alleine da. Im Dezember berichtete die „New York Times“, dass die Zahl der Schwarzfahrer in die Höhe geschossen sei, seit Schwarzfahrer nicht mehr verfolgt werden. „Fare Evasion“ koste die MTA, die New Yorker Verkehrsgesellschaft, 215 Millionen Dollar jährlich. Die Statistiken dazu hat die MTA selbst veröffentlicht. Die meisten Schwarzfahrer passieren die Zugangssperren – in Berlin gibt es diese Sperren bisher nicht, zum Erstaunen vieler Touristen aus London, Paris, New York. Laut Statista ist Berlin jetzt schon die Stadt mit der höchsten Schwarzfahrerquote. Hier soll fast jeder Fünfte ohne Fahrschein fahren.

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