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Berlin: Oh, mein Papa

Wannsee und das kalifornische Napa Valley liegen einander näher, als man denkt – jedenfalls auf den Bildern von Helen Berggruen. In Berlin hatte sie ihre erste Vernissage in Europa – und zu der kam auch ihr Vater, der Sammler und Mäzen Heinz Berggruen

Immer diese Väter! Noch im hohen Alter fürsorglich gegenüber ihren Kindern, um deren Ansehen bemüht, auch wenn diese längst erwachsen und erfolgreich sind. Er, Heinz Berggruen, habe seine Tochter Helen einst ermutigt, die Malerei nicht nur als Hobby, sondern ernsthaft zu betreiben? Musste er doch gar nicht. Sie war ja schon immer sehr selbstständig, hatte ihren eigenen Kopf .

Nun, er ist der Vater, das prägt die Erinnerung. Aber was sagt die Tochter? „Er hat mich damals sehr ermuntert weiterzumalen, als er meine ersten Bilder sah. Das waren Aquarelle, noch ziemlich naiv, aber die Farben, sagte er, erinnerten ihn an Matisse.“

Ein Kunstliebhaber, berühmt als Händler, Sammler, Mäzen, findet eben immer einen anderen Künstler zum Vergleich. Das war Mitte der Siebziger so, als seine Tochter vom Theaterfach zur Malerei wechselte, und gestern, in der Wannseer Galerie „Mutter Fourage“, wieder. Diesmal fielen Heinz Berggruen Picasso und Braque ein, Anfang des letzten Jahrhunderts eine Zeit lang ein so enges Gespann, dass selbst Kenner Probleme hätten, die damals entstandenene Werke der beiden auseinander zu halten. Ein ähnliches Problem habe er nun mit den Landschaften aus Kalifornien und Berlin, die seine Tochter zeige: Was ist Napa Valley, was Wannsee?

Die Scheune der alten Fourage-, also Futtermittelhandlung, die der Großvater des Galeristen Wolfgang Immenhausen in der Chausseestraße geführt hatte, war zur sonntäglichen Vernissage bis auf den letzten Platz gefüllt. Es ist ein idyllisches Ensemble aus Galerie, Café und Gartenhandlung, dazu „authentisch“, wie Berggruen schwärmt. Auch seine Tochter war begeistert, als er sie vor zwei Jahren das erste Mal dorthin führte, stimmte sofort zu, als ihr Immenhausen die Verkaufsausstellung mit Gartenbildern aus Kalifornien, Frankreich und eben Wannsee vorschlug. Es ist zugleich ihre erste in Europa.

Im vergangenen Jahr war sie schon einmal hier, hatte Skizzen, Entwürfe angefertigt, die dann in ihrem Atelier in Kalifornien zu Gemälden ausgearbeitet wurden: Gartenszenen, deren flirrendes Farbenspiel an van Goghs Pinselstrich erinnert, ruhiger aber, heiterer – wenn man so will: kalifornischer. Andere Maler kommen nach Berlin und suchen hier die aufstrebende europäische Metropole, begeistern sich an der Hektik der Großstadt. Helen Berggruen dagegen sucht ihre Stille und Harmonie, feiert den Farbrausch prunkender Wannsee-Gärten, malt die Orangerie in Wannsee, Villen der Kolonie Alsen, die Fouragehandlung. Würde im Titel Südfrankreich auftauchen, Napa Valley gar, man glaubte es ohne weiteres.

Auch Helens Bruder John war gekommen. Ihm hatte der Vater von der Laufbahn des Kunsthändlers, wissend um die Tücken, abgeraten. Sein Sohn sei ja noch so jung gewesen, erzählt Berggruen, habe geweint, als er auf Widerstand stieß – sei aber bei den Plänen geblieben. Helen und John entstammen der ersten Ehe Berggruens, der 1936 aus Berlin nach Amerika floh und ein Studium in Berkeley begann. Zurück kam er 1945, als Staff Sergeant der Army. „Später, als ich mich um die Erziehung meiner Kinder hätte kümmern sollen, war ich viele tausend Kilometer entfernt in Europa und kehrte praktisch nicht mehr in die Vereinigten Staaten zurück“, schreibt er in der Autobiographie „Hauptweg und Nebenwege“. Die Kinder, die in Internaten aufwuchsen, hätten sich dennoch „prächtig entwickelt“, zum „erfolgreichen Kunsthändler“ der Sohn, zur „geschätzten Malerin“ die Tochter. „Niemand könnte amerikanischer sein als meine Kinder, die genau wie ihre Mutter kein Wort Deutsch sprechen und Deutschland nur selten besucht haben.“

Galerie Mutter Fourage, Chausseestraße 15 a in Wannsee. Bis 23. November, Mi - Fr 14 bis 18 Uhr, Sa 12 bis 17 Uhr

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