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Berlin: Ohne Auflösung

Muss das Flüchtlingscamp in Kreuzberg weichen? Der Senat prüft, den Bewohnern Räume anzubieten.

Seit fast einem Jahr campieren die Flüchtlinge und ihre Unterstützer auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Der vergangene Winter war kalt, und in diesem Herbst gehen die nächtlichen Temperaturen schon Anfang Oktober an den Gefrierpunkt. Deshalb hoffen die Bewohner des Zeltlagers nach Gesprächen mit der Bezirksverwaltung bald auf feste Unterkünfte. Bis zu 200 Frauen und Männer leben Angaben von Bewohnern zufolge im Camp.

Im Haus von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) ist man vorsichtig. Die Frauen und Männer vom Oranienplatz sollen jedenfalls nicht in den bestehenden Flüchtlingsheimen unterkommen, unter bestimmten Bedingungen könne man aber andere Orte prüfen. „Dafür müsste aber der Bezirk die Duldung der rechtswidrigen Zustände aufheben“, teilte der Senator mit. Bedingung für eine neue Unterkunft sei folglich, dass das Camp aufgelöst werde. Die Flüchtlinge sollen nach einer Zwischenphase in die Bundesländer zurück, aus denen sie nach Berlin gekommen sind.

Eine im Camp lebende Unterstützerin sagte am Montag, man freue sich auf warme Unterkünfte während der Winternächte, wolle das Camp als Ort des sichtbaren Protests aber nicht räumen. Zelte und Infostände sollten bleiben. Die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz kamen vor einem Jahr in einem Protestzug aus anderen Bundesländern nach Berlin. Ihre Asylverfahren laufen also etwa in Bayern, nicht in der Hauptstadt. Die Flüchtlinge haben mit dem Marsch nach Berlin gegen die Residenzpflicht verstoßen. Diese Regel sieht vor, dass sich Flüchtlinge während des Asylverfahrens nur an einem bestimmten Ort aufhalten dürfen, den die Behörden festlegen. Der Protest auf dem Oranienplatz richtet sich auch dagegen.

Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte das Camp auf dem öffentlichen Platz als illegal bezeichnet. Rechtlich ist die Lage schwierig: Für Fragen zur Straßennutzung ist das Bezirksamt zuständig. Es kann bestimmte Veranstaltungen und Einrichtungen auf öffentlichem Straßenland genehmigen. Das hat es aber nicht getan: Das Camp wird vom Bezirk nur geduldet. Eine etwaige Räumung des Oranienplatzes ist aber nicht nur politisch, sondern auch rechtlich heikel. Zu klären wäre etwa, ob im Zusammenhang mit dem Camp tatsächlich Verstöße stattfinden, die nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz zu ahnden sind. Die Innenverwaltung prüft, ob und wie man vorgehen könnte.

Für Donnerstag, dem Tag der Einheit, haben Flüchtlings- und Antirassismusgruppen zu einer Demonstration in Hellersdorf aufgerufen. Die Organisatoren verweisen auf Angriffe gegen Einwanderer und Linke in dem Stadtteil und die Stimmungsmache gegen das Flüchtlingsheim in der Carola-Neher-Straße. Ein Sprecher teilte mit, der 3. Oktober sei als Datum bewusst gewählt worden. Wenn sich Deutschland selbst feiere, wolle man „dieser Selbstvergewisserung etwas entgegensetzen“.Hannes Heine

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