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Berlin: Ohne Bodenhaftung

Künast verärgert die Grünen mit ihren Ideen Erneut bemühen sie sich um Schadensbegrenzung

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Seit ihrer Krönungszeremonie Anfang November als grüne Spitzenkandidatin sorgt Renate Künast für Verwirrung und Ärger bei Parteifreunden. Zuerst waren es ihre Aussagen zur Einführung von Tempo-30-Zonen, dann beeilten sich Parteifreunde nach ihrem Hinweis auf eine mögliche Abschaffung der Gymnasien um Schadensbegrenzung. Und am Montag stellte Künast, wie berichtet, die Flughafenplanung infrage: Sie will über einen Verzicht auf die Drehkreuzfunktion diskutieren. Die Reaktion in ihrer Partei ist deutlich. Dieses Thema sei „gegessen“, sagten grüne Spitzenpolitiker, die nicht genannt werden möchten. Künast sei offenbar „nicht gut informiert worden“.

Die Spitzenkandidatin forderte politische Vorgaben, ob ein Flughafen gebaut werden solle, der Berlin mit Europa verbinden oder als großes internationales Drehkreuz fungieren werde. Dieser Aussage widerspricht Grünen-Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling. „Es ist egal, wohin geflogen wird. Entscheidend ist, dass die Schutzbedürfnisse der Bürger nicht verletzt werden.“ Deshalb setzen sich die die Grünen für den Verzicht auf Parallelstarts ein und ein Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Landesvorsitzende Irma Franke-Dressler stärkte Künast den Rücken und forderte, die Dimension des Großflughafens zu begrenzen. „Schönefeld darf nicht das Ausmaß von Frankfurt am Main oder München erreichen.“

Der Flugverkehr müsse reduziert werden, da die Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so gefährlich für das Klima seien wie auf der Erde, sagte der grüne EU-Verkehrspolitiker Michael Cramer. Steuerliche Begünstigungen für den Flugverkehr müssten aufgehoben werden. „Politische Aufgabe ist es, Privilegien abzubauen und den umweltfreundlichen Verkehr wie die Bahn billiger zu machen, damit erst gar nicht geflogen wird“, sagte Cramer.

Ob der Großflughafen weltweit angebunden werden solle, wie das Künast infrage stellt, kann von der Politik überhaupt nicht entschieden werden. „Welchen Verkehr es am Flughafen geben wird, kann gar nicht vorgeschrieben werden. Wer fliegen will, darf abheben, egal, wo das Ziel liegt“, sagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Einschränken könnte man den Verkehr lediglich durch ein striktes Nachtflugverbot oder durch den Verzicht auf parallele Starts, weil dann die Kapazität des Flughafens verringert würde. Eine mögliche Beschränkung beim Abfluggewicht würde dazu führen, dass auch einzelne Interkontinentalflüge kaum mehr möglich wären. Dass sich dafür bei den drei Gesellschaftern – Berlin, Brandenburg und der Bund – eine Mehrheit finden ließe, gilt als unwahrscheinlich. Jede Einschränkung des Betriebs macht den Flughafen unrentabler, der in den nächsten Jahren die Milliarden-Investitionen refinanzieren soll.

Selbst in Tempelhof hatte es nicht geklappt, den Flugverkehr zu beschränken. Als der Senat den Flughafen nach der Wende reaktiviert hatte, war vorgesehen, ihn für den innerdeutschen Regionalverkehr zu nutzen. Schnell folgten mehrere Gesellschaften und steuerten Ziele in ganz Europa an.

Damit es künftig weniger Irritationen nach Äußerungen ihrer Spitzenkandidatin gibt, fordern viele Grüne jetzt eine „engere Abstimmung“ zwischen Künast und den Fachpolitikern auf Landesebene. Die gebe es zwar schon, sagte Landeschefin Franke-Dressler. Die Antwort auf die Frage, wie die Absprachen genau verlaufen, lässt allerdings Interpretationsspielräume zu. „Wir sprechen viel über alles“, sagte Fraktionssprecher Matthias Schröter. Nur kommt es bekanntlich auch auf die Inhalte an. Über die Flughafenplanung sprach Künast mit den Fachpolitikern ihrer Partei zumindest nicht. Sabine Beikler/Klaus Kurpjuweit

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